Editorial des Verlegers
Editorial des Verlegers
Liebe Leserinnen und Leser,
das ging vermeintlich schnell. Am Donnerstag zu später Stunde verabschiedete der Deutsche Bundestag die Einführung des Lobbyregisters. Durch die Eintragung in ein öffentlich einsehbares Verzeichnis soll erkennbar werden, wer Einfluss auf die Arbeit und Gesetzgebung des Parlaments genommen hat.
Derweil reißen die Nachrichten über MdB-Maskenaffären, das Engagement einer noch immer steigenden Zahl von Abgeordneten für zweifelhafte Autokraten und exorbitant hohe Millionenhonorare für Beratertätigkeiten nicht ab.
Dominik Meier ist als Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung (de’ge’pol) und Inhaber von Miller & Meier Consulting in gewissem Sinne Partei, sein Beitrag im Hauptstadtbrief am Samstag über die Schwächen und die Fehlkonstruktion verdient gleichwohl unbedingt Aufmerksamkeit. Denn Meier wendet sich keineswegs gegen eine bessere und effektivere Kontrolle, nur müsse diese eben auch in beide Richtungen funktionieren. Meiers Einwurf zeigt, dass die Debatte mit dem neuen Lobbyregister kaum an ihr Ende gekommen sein dürfte.
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Im US-Bundestaat Georgia tötet ein Mann acht Menschen, darunter sieben Frauen. Die Türkei tritt als erstes und bisher einziges Land aus der Istanbul-Konvention aus, deren vollständige Name „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ lautet. Auch in Deutschland erscheinen beinahe täglich Meldungen über prominente und weniger prominente Männer, die der Belästigung, Übergriffigkeit oder des Begrabschens von Frauen bezichtigt werden.
Mit Gewaltverbrechen, fehlendem institutionellen Schutz und schlicht unsittlichem und abstoßendem Verhalten ist schlechterdings das Spektrum, man muss es leider so sagen, männlichen Fehlverhaltens, nicht hinreichend umfasst.
Carolin Wiedemanns Beitrag in diesem Hauptstadtbrief setzt tiefer an in ihrer Kritik dessen, was mit der patriarchalischen Prägung der Gesellschaft gemeint ist. Nein, kein Mann muss jetzt auf den Baum klettern und sich in eine reflexhafte Abwehrhaltung begeben. Denn die Journalistin und Soziologin Wiedemann, die regelmäßig für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung schreibt, macht die Rechnung von der anderen Seite auf. Sie beschreibt, was Männer durch ein neues Bild ihrer selbst, durch die gelassene Befreiung von starren Verhaltensmustern und Erwartungen gewinnen können.
Die Autorin hat ein im besten Sinne irritierendes und mitreißendes Buch zum Thema geschrieben, das in diesen Tagen bei Matthes & Seitz erschienen ist. „Zart und frei“ ist ein – man kann das nicht entschieden genug betonen – menschenfreundlicher Essay, ein so kluger wie eleganter Entwurf einer Gesellschaft im Geiste wohltuender Gleichberechtigung.
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Inge Kloepfer wirft ihren Zweiten Blick auf das jüngst vorgestellte Wahlprogramm der Grünen und verweist auf die politische und personelle Vielfältigkeit der Partei jenseits des strahlenden Spitzenduos Annalena Baerbock und Robert Habeck.
Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich – bis morgen
Ihr Detlef Prinz