Nach der Entschuldigung

Editorial des Verlegers

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Nach der Entschuldigung

Editorial des Verlegers

Liebe Leserinnen und Leser,

das war, um es frühlingshaft freundlich auszudrücken, eine wechselhafte Woche – nächtliche Runde und Verkündigungen, Ruhetage, Rücknahme der Ruhetage und eine – wie auch immer die Pandemiepolitik des Kanzleramts oder der Ministerpräsidentenkonferenz bewertet werden kann – so eindrucks- und ehrenvolle Entschuldigung Angela Merkels.

Kaum eine Äußerung von Politiker:innen ist frei eben von politischen Hintergedanken – und die Bundeskanzlerin schützt mit ihrem mea culpa schließlich auch die beiden Kandidaten der Union, die im Herbst ihre Nachfolge antreten wollen. Dennoch, Merkels Worte am Mittwoch waren die einer großen Staatsfrau.

Jetzt wäre es an der Zeit, mit mehr Engagement, Kreativität und Scharfsinn die Bekämpfung der Pandemie ins Zentrum zu stellen, jenseits der Nebenkriegsschauplätze, die die Debatte in Deutschland noch immer zu sehr prägen.

In dieser Ausgabe kommentiert mit Ulrich Deppendorf der Herausgeber des Hauptstadtbriefs am Sonntag selbst das Geschehen. Er wendet den Blick dann auch über das Kommunikationschaos dieser Tage hinaus auf eben jenen Punkt: Ist der deutsche Staat noch in der Lage, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen, die Menschen zu schützen und aus dem derzeitigen Ausnahmezustand zu führen?

Unser Kolumnist Günter Bannas nimmt in seiner Leitglosse den Gedanken auf und fragt, was aus dem rapiden Vertrauensverlust für die beiden im Sinkflug befindlichen einstigen Volksparteien folgt – in erster Linie im Hinblick auf die Bundestagswahl im Herbst, aber in zweiter auch für die gesellschaftliche Verfasstheit Deutschlands überhaupt.

Für das Feature-Stück dieser Ausgabe hat uns Andrea Löw, die historische Korrespondentin des Hauptstadtbriefs, einen gerade in seiner abwägenden Differenziertheit bewegenden Essay gesandt, in dem sie der Frage nachgeht, warum in Deutschland noch immer Verfahren angestrengt werden gegen alte Männer und selten auch Frauen, die in Konzentrations- oder Vernichtungslagern Dienst taten.

Die bestechend klugen geschichtspolitischen Einwürfe Löws, der stellvertretende Leiterin des Zentrums für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte (IfZ) in München, sind essential reading, für das Fachpublikum nicht weniger als für die interessierte Öffentlichkeit.

Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich bis zur nächsten Woche

Ihr Detlef Prinz

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