Party like it’s 2021

Der Politische Aschermittwoch als Vorbote des heißen – bis lauwarmen – Wahlkampfs

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PICTURE ALLIANCE/ASSOCIATED PRESS | PETER KNEFFEL
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PICTURE ALLIANCE/ASSOCIATED PRESS | PETER KNEFFEL

Party like it’s 2021

Der Politische Aschermittwoch als Vorbote des heißen – bis lauwarmen – Wahlkampfs

Es war ein ungewöhnlicher Politischer Aschermittwoch. Wo sonst Parteianhänger und -anhängerinnen Schulter an Schulter eng beieinander in Zelten und Hallen sitzen und zuhören, wie die Spitzen ihrer Parteien gegen die politischen Gegner austeilen, redeten diese diesmal einsam in Kameras, das Publikum schaute von zuhause aus zu. Es wurde bei den meisten Parteien auch weniger deftig ausgeteilt als in den vergangenen Jahren. Zu ernst sind die Zeiten. Schließlich leben wir nach wie vor mit einer Pandemie.

Dabei war der Politische Aschermittwoch genau im Superwahljahr für alle Parteien eine wichtige Veranstaltung, um die Anhänger und Anhängerinnen auf den kommenden Wahlkampf einzustimmen und Konfliktlinien deutlich zu machen. Das wäre natürlich einfacher möglich gewesen, wenn die Veranstaltung so hätte ablaufen können wie immer. Nun mussten sich die Parteien Konzepte für einen Corona-konformen Politischen Aschermittwoch überlegen. Damit wurde dieser auch zu einer Art Probelauf für den anstehenden, wohl deutlich stärker digitalen Wahlkampf. Vor allem die Union hat gezeigt, was alles möglich ist. Gegen die Inszenierung der CSU wirkten die der anderen Parteien geradezu langweilig.

So saß Markus Söder mit seinem Maßkrug voll Cola light in einer Kulisse, die an ein bayerisches Bauerntheater erinnerte: grüner Kamin, Eichentisch, Eckbank und Brotzeitbrett’l. Für den Defiliermarsch, der traditionell erklingt, wenn der bayerische Regierungschef in die Dreiländerhalle einzieht, wurde die Passauer Stadtkapelle aus dem heimischen Wohnzimmer zugeschaltet, genauso wie die CSU-Anhänger und -Anhängerinnen. Sie erschienen, ausgestattet mit lärmerzeugenden Klatschpappen und Ratschen auf kleinen Video-Kacheln in einer weiteren Kulisse, aus der Generalsekretär Markus Blume die Veranstaltung moderierte – so entstand zumindest etwas Stimmung.

Auch die anderen Parteien passten ihr Aschermittwochskonzept an die Corona-Zeiten an. Die Grünen-Spitze fuhr erst gar nicht nach Bayern, ließ sich aus Berlin, ebenfalls aus einer Wohnzimmer-Kulisse zuschalten. Die FDP versuchte es mit der Stadt Passau als Hintergrund für die Rede von Christian Lindner und sendete aus einem Hochhaus. Und die SPD ging in den traditionellen Wolferstetter Keller und baute dort ein Studio auf.

Die meisten Parteien müssen in den wenigen Wochen bis zur heißen Wahlkampfphase aber noch einiges aufholen, was virtuelle Veranstaltungen betrifft, vor allem Grüne und SPD, wenn sie mit der Union auf Augenhöhe sein wollen. Das hat der direkte Vergleich beim Politischen Aschermittwoch gezeigt. Denn Großkundgebungen auf Marktplätzen wird es coronabedingt zumindest zu Wahlkampf-Beginn wohl kaum geben können. Sie müssen also digital stattfinden. Dabei wird es auf die Inszenierung ankommen und auf das Können der Kandidaten und Kandidatinnen, in die Kamera zu reden und dabei eine Nähe zu suggerieren, die eigentlich gar nicht da ist. Denn die Wähler und Wählerinnen sehen zwar möglicherweise eine gut gemachte Show, aber der direkte Kontakt zum Kandidaten oder der Kandidatin fehlt und muss durch einen guten Auftritt und vielleicht das ein oder andere interaktive Element ausgeglichen werden – auch wenn das nur bedingt möglich ist.

Allerdings müssen potenzielle Wähler und Wählerinnen die digitalen Veranstaltungen überhaupt erst sehen wollen. Stellen wir uns einen sonnigen Frühlingssonntag vor, alle wollen raus. Wer setzt sich da schon vor seinen Fernseher oder Laptop – außer wirklich sowieso schon überzeugte Parteianhänger und -anhängerinnen? In Zeiten ohne Pandemie wären die Menschen an einem schönen Tag vielleicht zufällig an einer Wahlkampfveranstaltung vorbeigegangen und stehen geblieben, um sich das Gesagte anzuhören. Auch der klassische Wahlkampfstand mit Sonnenschirm, an dem die Vertreter und Vertreterinnen der Parteien Flyer verteilen und ins Gespräch mit den Bürgern und Bürgerinnen kommen, wird in diesem Sommer wahrscheinlich noch nicht möglich sein und der Haustürwahlkampf nur mit Maske und Abstand. Dort liegt eine große Herausforderung für die Parteien. Denn aus der Distanz werden sich wohl vor allem unentschlossene Wähler und Wählerinnen kaum überzeugen lassen.

Neben den digitalen Veranstaltungen werden deshalb auch soziale Plattformen eine stärkere Rolle spielen als bisher, wo ein direkter Austausch möglich ist. Vor allem jüngere Wähler und Wählerinnen sind dort zu erreichen. Wenn sich zum Beispiel Jens Spahn live Fragen auf der Plattform TikTok stellt, Thomas Sattelberger dort die Politik der FDP erklärt oder Lars Klingbeil und Kevin Kühnert bei Instagram zusammen auftreten, erreichen sie direkt vor allem die Gruppe, deren Wahlbeteiligung 2017 laut einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung unter dem Durchschnitt lag, nämlich die Unter-40-Jährigen. Ein digitaler Wahlkampf könnte also auch eine Chance für die Parteien sein.

Es gibt jedoch immer noch die potentiellen Wähler und Wählerinnen, die wenig mit der digitalen Welt anfangen können, wozu vor allem die Älteren zählen dürften, die eine große Gruppe ausmachen. Unter den Über-60-Jährigen gibt es mehr als doppelt so viele Wahlberechtigte wie bei den Unter-30-Jährigen. Ein bisschen TikTok hier, ein bisschen Instagram dort reicht also nicht aus. Es braucht dementsprechend neue Konzepte für analoge Angebote, wie Wahlplakate und Flyer. Und an die Medien geht die Frage, wie kreative TV- und Hörfunk-Formate aussehen könnten.

Dieser anstehende Wahlkampf wird Neuland für alle. Zum einen natürlich politisch: So tritt zum ersten Mal seit 1949 kein Kanzler – keine Kanzlerin – mehr an. Zum anderen braucht es pandemiebedingt ganz neue Konzepte. Der Politische Aschermittwoch war ein Vorgeschmack auf das, was kommen könnte. Aber am Reißbrett dürfte sich dieser Wahlkampf schlecht planen lassen. Erst im September wird sich zeigen, was wirklich funktioniert hat.

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