Patriarchat auf Speed

Kolumne | Direktnachricht

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Patriarchat auf Speed

Kolumne | Direktnachricht

Wladimir Putin springt für J.K. Rowling in die Bresche und benutzt die Kritik an ihrer diskriminierenden Einstellung gegenüber trans* Personen, um seine eigene faschistoide Kriegs-Agenda zu stützen.“

Meine Bingo-Karte dystopischer Ereignisse ist zwar spätestens seit dem Jahr 2016 recht umfangreich geworden, aber zugegeben, dieser Punkt stand bisher noch nicht darauf. Doch auch wenn der erste Blick vielleicht eher irritiertes Kopfschütteln hervorruft, ist die verbindende Linie auf den zweiten sehr klar erkennbar. Geschlechterfragen gehören schließlich zum ideologischen Fundament Putins, denn Antifeminismus ist Teil seiner politischen Strategie.

Man denke dabei zum Beispiel an das Gesetz zur Entkriminalisierung häuslicher Gewalt, das diese förmlich zur Privatsache machte und Betroffenen die letzte Handhabe nahm. Bereits davor wurden die Rechte von LGBTQI+ massiv beschnitten, indem das bloße diskriminierungsfreie Reden über queeres Leben als gefährliche Propaganda gelabelt und strafbar gemacht wurde. All das geschieht stets im Namen sogenannter „traditioneller (Familien-)Werte“, was letztlich nur codierte Sprache für „sanktionsfreie Unterdrückung“ ist.

Sich selbst und Russland als Verfechter der einzig richtigen gesellschaftlichen Werte zu inszenieren, daran arbeitet Putin seit gut zehn Jahren. In dieser binären patriarchalen Denkordnung gilt der Westen mit seinem Einsatz für Frauen- und LGBTQI+-Rechte als schwach und dekadent – als „das verweiblichte Gayropa“. Dagegen stemmt sich Russland, der quasi „letzte starke Mann“. Mutig wehrt er sich – sicher mit nacktem Oberkörper durch die Gegend reitend – gegen sämtliche Emanzipationsbemühungen marginalisierter Menschen, da sie einer vermeintlich „natürlichen Ordnung“ widersprechen und diese demnach gefährden. Es ist da kaum verwunderlich, dass auch Putins Kriegserklärung vom 24. Februar 2022 diese Töne anschlug, die nicht nur misogyn und queerfeindlich, sondern in ihrer Verschwörungserzählung ebenso antisemitisch sind.

Die Sehnsucht nach einer Männlichkeit hart wie Kruppstahl und Militarisierung durch und durch, schwillt uns seitdem auch wieder verstärkt aus deutschen Kommentarspalten, Talkshowsesseln und Meinungsartikeln entgegen. Krieg, das ist das Patriarchat auf Speed. Angesichts rollender Panzer lässt sich eben viel leichter zu den bekannten, rigiden Geschlechterrollen zurückkehren, statt sie infrage zu stellen.

Mancher Kommentator, der gerne den lieben langen Tag von Freiheit faselt, scheint da gar wohlige Schauer zu verspüren. Endlich lässt sich wieder etwas ungehemmter gegen diese vermaledeiten Minderheiten wettern! Und für den Angriffskrieg gegen die Ukraine kann man sie auch gleich noch verantwortlich machen – ganz wie es Putin gefällt. Solche Kommentare höhlen am Ende nicht nur die Rechte marginalisierter Menschen aus, sondern auch unsere Demokratie – und das alles nur für die Aussicht auf ein bisschen mehr Alphamännchen-Autorität. Es besteht eben immer noch ein Unterschied zwischen denen, die Demokratie lediglich als Buzzword und Deckmantelbegriff benutzen, und denen, die sie ernsthaft verteidigen.

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