Kolumne | Direktnachricht
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„Wir werden das Transsexuellengesetz abschaffen und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzen. Dazu gehören ein Verfahren beim Standesamt, das Änderungen des Geschlechtseintrags im Personenstand grundsätzlich per Selbstauskunft möglich macht, ein erweitertes und sanktionsbewehrtes Offenbarungsverbot und eine Stärkung der Aufklärungs- und Beratungsangebote.“
Mit diesen Worten verspricht die Ampel-Koalition auf den Weg zu bringen, was die Große Koalition immer wieder verschleppte und blockierte. Sven Lehmann, Queer-Beauftragter der Bundesregierung, kündigte sogar kürzlich an, dass die Eckpunkte noch vor der Sommerpause vorgelegt werden sollen. Das Selbstbestimmungsgesetz scheint endlich greifbarer denn je. Währenddessen tobt der Backlash bereits und spitzte sich zuletzt in widerlichsten persönlichen Angriffen gegen Tessa Ganserer zu, die Bundestagsabgeordnete und eben auch eine trans Frau ist.
Die Transfeindlichkeit kommt allerdings nicht nur aus Richtung der AfD, wo ein solches menschenverachtendes Verhalten ohnehin zum Parteiprogramm gehört. Auch selbsternannte Feministinnen fahren eine regelrechte Hetzkampagne gegen Ganserer. Diese oft unter dem Begriff TERF abgekürzte Gruppe (was für „Trans* Exclusionary Radical Feminists“ steht) versucht, im Namen vermeintlicher Frauenrechte an einer trans Frau ein Exempel zu statuieren, um das Selbstbestimmungsgesetz zu verhindern. Ideologisch gefüttert wird ihr Verhalten durch verzerrte Daten, Verschwörungserzählungen, Biologiekenntnisse aus Zeiten, in denen Alice Schwarzer die 6. Klasse besuchte, und ausgedachte Drohszenarien. Dabei sind gerade letztere schnell aufgelöst, wenn man nur einen Blick in Länder wie Argentinien oder Dänemark wirft, die schon länger Gesetze zur selbstbestimmten Geschlechtsidentität haben.
Es ist wichtig zu verstehen, dass nicht die Akteur_innen der hiesigen und internationalen Rechten mit ihren Angriffen feministische Ziele vereinnahmen – TERFs sind hierbei vielmehr mit den Rechten auf einer Linie. Sie unterstützen damit auch (ob bewusst oder nicht) einen Kulturkampf, der sich nicht nur gegen die Existenz von trans* und nicht-binären Personen richtet. Transfeindlichkeit ist anschlussfähig an faschistische Ideologien, und zu Ende gedacht gilt dieser Kulturkampf immer allen, die als „das Andere“ gesehen werden und in unserer Gesellschaft am verletzlichsten sind – ob LGBTQI+, Jüdinnen_Juden, Sinti_ze und Rom_nja, Menschen mit Behinderung … Es muss wohl nicht weiter ausgeführt werden, dass das mit Feminismus nichts mehr zu tun hat und *keine* noch so mutige feministische Aktion der Vergangenheit heutige TERF-Kampagnen entschuldigt.
Das alles gilt es mitzudenken, wenn in den kommenden Wochen und Monaten über das Selbstbestimmungsgesetz informiert wird und weitere Attacken gegen trans* Personen – nicht nur jene der Öffentlichkeit, wie Tessa Ganserer es ist – passieren werden. Vor allem Medienmacher_innen müssen endlich verstehen, dass es eine große Verantwortung gibt, angemessen und faktisch korrekt über marginalisierte Menschen zu berichten – ein „Pro und Contra“ bei Menschenrechten gibt es nicht.