Kolumne | Aus dem Bannaskreis
Kolumne | Aus dem Bannaskreis
Heute vor einem Jahr wurden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zu Vorsitzenden der SPD gewählt. Nachdem sich die beiden beim Mitgliederstichentscheid gegen das Duo Olaf Scholz/Klara Geywitz durchgesetzt hatten, erhielt sie 75,9 Prozent der Stimmen der Delegierten, eines der schlechtesten Ergebnissen in der Parteigeschichte. Er bekam 89,2 Prozent. Was ihr Ziel sei, das sie bis Ende 2020 erreichen wolle, wurde Esken damals von der SPD-Zeitung Vorwärts gefragt. Die Antwort: „Zustimmungswerte für die SPD von 30 Prozent und vielleicht mehr.“ Doch nach wie vor liegen die Werte bei 16 Prozent. Wie es mit einem SPD-Kanzlerkandidaten sei? „Die Debatte müssen wir führen, wenn Wahlen anstehen. Wenn die SPD wieder höhere Zustimmungswerte hat, haben wir als Partei natürlich den Anspruch, wieder eine Regierung anzuführen.“ Die Debatte aber wurde geführt, als Wahlen noch nicht anstanden, und es wurde entschieden, obwohl die SPD noch keine höheren Zustimmungswerte hatte. Die Vorsitzenden beugten sich, um den Eindruck zu vermeiden, der einzig in Frage kommende Kandidat, Olaf Scholz, sei in Wahrheit nicht gewollt. Weiteres Abwarten wäre zu seinen Lasten gegangen.
Ausgerechnet Saskia Esken, die damals Unbekannteste, könnte zur Gewinnerin der vergangenen zwölf Monate werden. Ihr Ziel, wieder in den Bundestag gewählt zu werden, wird sie erreichen. Selbstverständlich war das nicht. Ihren Wahlkreis hat sie noch nie gewonnen. Sie war sogar gescheitert, auch nur in den Vorstand der Baden-Württemberg-SPD gewählt zu werden. Im Bundestag blieb sie, was sie war – eine Fachpolitikerin für Digitales. In großen Parlamentsdebatten reden andere. Doch wer schon will einer SPD-Vorsitzenden einen sicheren Listenplatz verweigern? Nach der Zahl der Follower bei Twitter hat Esken ihren Ko-Vorsitzenden abgehängt, was ihren Ehrgeiz unterstreicht. Sie genießt ihre Gespräche mit Angela Merkel. Den einst von ihr attackierten Scholz lobt sie. Ehedem eine Gegnerin der großen Koalition, beantwortet sie nun Fragen nach deren Fortsetzung ambivalent, wie das auch ihr Förderer Kevin Kühnert mittlerweile tut: „Ein Jahr vor der Wahl ist es falsch, Koalitionsgedankenspiele anzustellen und alles Mögliche auszuschließen.“ Sollte es nach der Wahl doch wieder zu einem Bündnis von Union und SPD kommen müssen, würde ihr Ja-Wort gebraucht. Ein Ministeramt als Dankeschön? In der Opposition bliebe nur Rücktritt.