Kolumne | Direktnachricht
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Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violett – die Farben des Regenbogens schienen in dieser Woche nahezu allgegenwärtig zu sein. Allerdings nicht etwa, weil nächste Woche der 52. Jahrestag der Stonewall Riots ist, die Grund dafür sind, dass jedes Jahr im Juni der Pride-Monat begangen wird und bis in den August hinein weltweit Feierlichkeiten und Proteste für die Rechte queerer Menschen stattfinden.
Anlass war das Fußballspiel Ungarn-Deutschland und der Versuch, sich aufgrund der jüngsten queerfeindlichen ungarischen Gesetzesänderung solidarisch zu zeigen. Ob das wirklich geglückt ist oder in den meisten Fällen nicht doch eher dazu diente, sich selbstverliebt auf die Schulter zu klopfen, bleibt diskutabel. Es ist jedenfalls bezeichnend, wenn in diesem Zusammenhang sogar die Frontex in Regenbogenfarben auf „europäische Werte sind uns wichtig“ macht, während sie auch queere Geflüchtete gewaltsam und illegalerweise zurückzudrängt.
Nachdem die UEFA verbot, das Münchner Stadion in Regenbogenfarben anzuleuchten, twitterte Markus Söder bedauernd, man müsse sich „stark machen gegen Ausgrenzung und Diskriminierung“– Eine interessante Aussage angesichts des Grundsatzprogramms der CSU, worin steht: „Eine Gesellschafts- und Bildungspolitik, die Gender-Ideologie und Frühsexualisierung folgt, lehnen wir ab.“ Eine antifeministische und queerfeindliche Aussage also, die sich in ähnlicher Form genauso bei der ungarischen Fidesz Viktor Orbáns finden lässt.
Da muss man wohl schon froh sein, dass im aktuellen Wahlprogramm der Union auf 140 Seiten kein einziges Wort zum Thema LGBTQI+ verloren wird? Paul Ziemiak bezeichnete angesichts der UEFA-Entscheidung deren Kampagnen gegen Rassismus und Homofeindlichkeit als unglaubwürdig. Die Unglaubwürdigkeit seiner eigenen Partei in diesen Angelegenheiten verursacht bei ihm offenbar nicht mal mehr Schamesröte.
Wer Orbán als einzelnen „Bösewicht im Ausland“ kritisiert, macht es sich zu einfach. Denn hinter der von ihm propagierten Queerfeindlichkeit steckt ein rechtes, christlich-fundamentalistisches, finanziell starkes Netzwerk, das sich europaweit formiert und auch Einflüsse in Deutschland hat. Deswegen muss die Solidarität eine internationale sein. Queere Menschen brauchen aber keine regenbogenfarbenen Lippenbekenntnisse, sondern Menschenrechte. Der Kampf dafür dauert länger als 90 Minuten, doch auch dort gilt: Entscheidend ist auf’m Platz.