Republikanische Regression

Der Wahlverlierer lenkt – leidlich – ein, kann das Poltern und Sich-Aufplustern aber nicht lassen

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PICTURE ALLIANCE/MEDIAPUNCH
Im Freizeitlook: Donald Trump
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Im Freizeitlook: Donald Trump

Republikanische Regression

Der Wahlverlierer lenkt – leidlich – ein, kann das Poltern und Sich-Aufplustern aber nicht lassen

Nun also doch. „Ich möchte Emily Murphy für ihre Loyalität unserem Land gegenüber danken“, twitterte Donald Trump Anfang der Woche. „Sie wurde belästigt, bedroht und beschimpft“, so der Noch-Präsident über die Chefin der General Services Administration. Diese US-Behörde stellt im Fall eines Machtwechsels der zukünftigen Regierung eines neugewählten US-Präsidenten die Mittel für die Übergangsphase bereit. Ins Amt kommt die neue Regierung dann am 20. Januar 2021, wenn der neugewählte Präsident vereidigt wird.

„[Die Anfechtung des Wahlergebnisses] geht MIT VOLLER KRAFT weiter, … wir werden am Ende gewinnen. Trotzdem möchte ich im Interesse unseres Landes empfehlen, dass Emily und ihre Mannschaft tun, was getan werden muss … Ich habe meinem Team das Gleiche gesagt.“

So geht Trumps unrühmliche erste und bislang einzige Amtszeit ihrem ebenso unrühmlichen Ende entgegen. Immer bizarrer wurden am Ende die Versuche von Trumps Anwälten, allen voran der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani, den demokratischen Prozess in der mächtigsten Demokratie der Welt auszuhebeln. Zuletzt hatte Giuliani sich dazu verstiegen zu behaupten, Caracas – und Frankfurt am Main (!) – seien in die „Wahlfälschungen“ verstrickt. Beweise legten er und seine Mitstreiter dafür nicht vor.

Dies führte dazu, dass sich selbst ein paar bislang treue Gefolgsleute von Trump abwandten. Tucker Carlson, Fox-News-Moderator und bis zu diesem Zeitpunkt ein unerschütterlicher Trump-Unterstützer, kritisierte diese Phantasmen als gefährlich; Ben Sasse, republikanischer Senator aus Nebraska, sprach von „wilden Pressekonferenzen, die das Vertrauen der Bevölkerung untergraben … Wir sind eine Nation, die auf dem Recht aufbaut, nicht auf Tweets“.

Das stimmt, zumindest bis auf Weiteres. Die Gerichte diverser US-Bundesstaaten weisen die absurden Klagen der „Trumpisten“ immer energischer ab. Joe Biden, dessen Kabinett Gestalt annimmt und viel verspricht, angefangen beim designierten US-Außenminister Antony Blinken, wird der 46. Präsident der Vereinigten Staaten.

Und doch ist es höchst alarmierend, wie viele hochrangige Republikaner Trumps schmutziges Spiel mitspielen. Öffentlich kritisiert hat den Noch-Präsidenten nur eine Handvoll prominenter und derzeit Verantwortung tragender Republikaner, allen voran Mitt Romney, Senator aus Utah und vor acht Jahren Barack Obamas unterlegener Herausforderer.

Romney, der als einziger republikanischer Senator im Februar beim Impeachment-Verfahren für Trumps Amtsenthebung stimmte, weil ihn, wie er glaubhaft erklärte, sein Gewissen zur Wahrheit verpflichtete, gratulierte Biden und der kommenden Vizepräsidentin Kamala Harris und sagte voraus: „Trump wird sich in den letzten Tagen seiner Amtszeit nicht ändern; er ist, wer er ist. Er hat ein recht entspanntes Verhältnis zur Wahrheit. … Am Ende wird er das Unausweichliche akzeptieren, aber ich erwarte nicht, dass er einfach still abtritt.“

„Erfolg“ hat Trump mit seiner Strategie bereits. Zweifel und Verschwörungstheorien säen, funktioniert erschreckend gut unter einem beachtlichen Anteil der fast 74 Millionen Amerikaner, die Trump gewählt haben – gegenüber 80 Millionen Stimmen für Biden, wohlgemerkt. Laut einer Ipsos/Reuters-Umfrage Mitte November sahen 73 Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner zwar Biden als Gewinner der Wahl und nur 5 Prozent Trump. Gefragt danach, wer der „rechtmäßige Sieger“ sei, sagten allerdings 52 Prozent der republikanischen Wähler: Donald Trump.

Indem sie Trump gewähren lassen, schaufeln sich die Spitzen der Republikaner letztlich ihr eigenes politisches Grab. Wenn er will, wird Trump 2024 wieder der republikanische Kandidat sein – wer sollte es in einer Partei, die die Untergrabung des eigenen politischen Systems zulässt, mit ihm aufnehmen? Für viele hat Trump zudem „geliefert“: Steuersenkungen für Wohlhabende und Unternehmen, konservative Richterinnen und Richter für die Gerichte, angefangen beim Obersten Gerichtshof. Dass sein selbstverliebter Trash-Talk und seine autokratischen Allüren auch bei einem erstaunlich großen Teil von Latino- und schwarzen Wählern ankam, lässt manche schon an eine Zukunft der Republikaner als rechtslastige Arbeiterpartei glauben.

Das verheißt nichts Gutes: für die amerikanische Innenpolitik und den Handlungsspielraum der Biden-Regierung in einem womöglich weiterhin von den Republikanern beherrschten Senat, aber auch für die US-Außenpolitik. Bis zur Trump-Wahl galt der alte Satz des republikanischen Senators Arthur Vandenberg, der an der Gründung der Vereinten Nationen 1945 mitwirkte: „Politics stops at the water’s edge“ – will sagen: Sobald sich US-Politiker mit der Welt jenseits ihrer Küsten befassten, herrschte überparteilicher Konsens, zumindest in Grundfragen.

Mit ihrer Trump-Treue geben die Republikaner auch dieses Prinzip auf; Bidens angekündigte außenpolitische Kehrtwenden vom Klimaschutz bis zum Nuklearabkommen mit dem Iran dürften von den Republikanern aufs Heftigste bekämpft werden, wohl auch der pfleglichere Umgang mit europäischen und asiatischen Verbündeten. Trumps transaktionaler Nationalismus, seine Geringschätzung von Alliierten und internationalen Organisationen werden so immer weiter salonfähig. Die Präsidentschaft Joe Bidens, so vielversprechend sie ist, reicht womöglich nicht, diese fatale Entwicklung umzukehren.

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