Kolumne | Direktnachricht
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Gökhan Gültekin, Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Said Nesar El Hashemi und seine Mutter Gabriele – das sind die Menschen, die der rechtsextreme Terrorist Tobias R. am 19. Februar ermordete. Der Anschlag von Hanau ist nun sechs Monate her. Was ist seitdem passiert ist? Nicht genug.
Auch deswegen wollten am heutigen Samstag in Hanau Menschen auf die Straße – die Demonstration musste wegen Corona gestern Abend abgesagt werden. Neben der Forderung nach Konsequenzen, sollte das Gedenken an die Ermordeten gestärkt und das klare Signal gesendet werden, dass die Hinterbliebenen nicht mit ihrem Schmerz alleine gelassen werden dürfen. Diese Forderung bleibt ungeachtet der Absage von größter Dringlichkeit. Es sind überhaupt wieder in erster Linie die Angehörigen, die für eine weitere Aufklärung der Tatumstände sorgen.
Sie sind es, die Belege sammeln und unermüdlich Fragen stellen. Zum Beispiel, weshalb die vier Notrufe von Vili Viorel Păun in der Tatnacht nicht von der Polizei angenommen wurden. Warum Tobias R. trotz eines Verfahrens gegen ihn eine Verlängerung seiner Waffenerlaubnis bekam. Oder wieso ein Vorfall in Hanau vor drei Jahren, bei dem ein Mann mit seiner Waffe Jugendliche ins Visier nahm, nicht weiterverfolgt wurde – die Täterbeschreibung passt auf Tobias R., seine Wohnung ist nur wenige hundert Meter entfernt.
Die Formel ist so simpel wie grauenvoll: Rassismus tötet. Rassismus zu bekämpfen, schützt also konkrete Menschenleben. Auch der Anschlag von Hanau hätte vermutlich verhindert werden können. Immerhin: Mittlerweile gibt es einen Kabinettausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus. Doch fühlt sich dieser zum jetzigen Zeitpunkt an, als würde man auf der Titanic sitzen und erstmal einen offenen Brief an den Eisberg schreiben. (In Zeiten der Klimakrise lässt man den Eisberg ja ohnehin lieber schmelzen, bevor man in Deutschland aktiv wird.)
Egal, ob es sich um eine Studie zu Racial Profiling und Rassismus bei den Polizeibehörden handelt, die Entwaffnung von polizeilich bekannten Gefährder_innen oder eine Berichterstattung, die Plätze wie Shisha-Bars nicht als Gefahrenorte stigmatisiert. Die Expertise und Forderungen gerade migrantischer Organisationen, um gegen Rassismus vorzugehen, existieren schon lange. Spätestens (!) nach der Selbstenttarnung des NSU wäre der Zeitpunkt zum entschlossenen Handeln gewesen. Dass dies nicht geschehen ist, zeugt umso mehr davon, wie tief der Rassismus Deutschland in den Knochen steckt.