Kolumne | Aus dem Bannaskreis
Kolumne | Aus dem Bannaskreis
Begriffe im Zeichen des Krieges. Von Putinismus ist die Rede. Sogar einen umfangreichen Wikipedia-Eintrag gibt es dazu. Russland komme als Verhandlungspartner nur unter der Vorbedingung einer Deputinisierung in Betracht, sagt Christoph Heusgen, ehedem Angela Merkels Sicherheitsberater und nun Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz. Wie die westlichen Ukraine-Unterstützer wohl reagieren würden, wenn es zu einer Putin-Note käme, fragt Berthold Kohler, Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Formeln sind es, die an einen Vorgänger erinnern: Ersetze Putin durch Stalin. Die Narrative passen. Auch Stalin ist für Gräueltaten an Ukrainern verantwortlich, ehe es dann Hitler-Deutschland tat.
Im März 1952 übermittelte die Sowjetunion die sogenannte Stalin-Note: Friedensvertrag und Wiedervereinigung samt Neutralisierung Deutschlands. Manche plädierten dafür, sich die Chance nicht entgehen zu lassen. Doch Stalin war kein Gesprächspartner mehr. Seine Aggressionspolitik in Europa hatte zum Bruch zwischen den Alliierten geführt. Die Stalin-Note wurde abgelehnt. In der Bundesrepublik am schärfsten von Konrad Adenauer. Den sowjetischen Schalmeienklängen dürfe nicht geglaubt werden. Stalin wolle einen Keil ins westliche Bündnis treiben und Deutschland isolieren. Der Tod des Diktators – am kommenden Sonntag vor siebzig Jahren – setzte einen Prozess in Gang, Entstalinisierung genannt. Doch weitere fast 20 Jahre dauerte es, ehe der Kreml wieder ein Verhandlungspartner war – mündend im KSZE-Prozess und endend mit der Schlussakte von Helsinki: Die Achtung der Menschenrechte und territoriale Integrität der Staaten gehörten dazu. Eine ganze Alterskohorte von Politikern und Diplomaten, teils noch als Studenten, wurde von dieser Phase der Entspannung geprägt. Nun erfahren sie, wie Putin einen Stalinismus neuer Prägung aufgelegt hat.
Auch Frank-Walter Steinmeier gehört dazu. „Wer die Zeit des Kalten Krieges erlebte, der weiß um die Hoffnung, die mit der Schlussakte von Helsinki verbunden war, damals, 1975, als sich alle europäischen Staaten und auch die Sowjetunion zur Unverletzlichkeit der Grenzen bekannten und zum Verzicht auf Gewalt“, sagte der Bundespräsident im vergangenen Mai aus Anlass des Endes des Zweiten Weltkriegs. „Generationen von Politikern haben dafür gearbeitet, dass Nie wieder auch Nie wieder Krieg in Europa heißt.“ Wenn Putin von Faschismus in der Ukraine spreche, „dann lügt er“. Deutliche Worte eines Staatsoberhauptes. „Unter dem Vorwand der Entnazifizierung lässt er sogar Menschen töten, die schon einmal durch die Hölle gegangen sind: auch viele Überlebende des Holocaust.“ Schussfolgerung des ehemaligen Außenministers: „Außenpolitik und Diplomatie werden auch in Zukunft gebraucht werden, natürlich. Aber wer zur Vermeidung künftiger Konflikte auf Diplomatie und Verhandlungen setzt, der muss wissen: Verhandlungen lassen sich nicht aus einer Position der Schwäche führen. Erfolgreich verhandeln lässt sich nur aus einer Position der Stärke.“