Schmuck

Editorial des Verlegers

23
01
23
01

Schmuck

Editorial des Verlegers

Liebe Leserinnen und Leser,

in einem wahrlich brillanten Beitrag einer Tagung zur Zukunft der Zeitung vor vielen Jahren erinnerte sich der große Schriftsteller Martin Mosebach an das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in den 1950er-Jahren, das damals von so legendären Zeitungsmännern wie Karl Korn und Friedrich Sieburg verantwortet wurde. Es habe aus einer Seite bestanden – diese sei aber im Layout der Zeit, sprich: eine Bleiwüste – vortrefflich genutzt worden, ganz ohne Schmuck, aber gefüllt mit geistreichen Beiträgen, welche die interessierten Leserinnen und Leser auch entsprechend zu schätzen wussten.

Sehen Sie mir den kurzen Ausflug in die Pressegeschichte nach, aber nach der Lektüre der beiden Beiträge dieses Hauptstadtbriefs am Samstag hatte ich besondere Freude daran, dass unser vorzüglicher Kollege aus dem Layout, Gordon Martin, eine Zeitungsseite gesetzt hat, die an eben jene Zeiten erinnert, randvoll gefüllt mit Text. Das ist nun nicht allein als Reminiszenz an jene Ära zu verstehen, sondern auch eine Sache der inhaltlichen Notwendigkeit.

Katja Gloger berichtet in ihrem Beitrag nicht allein von den Verwicklungen und Implikationen der Verhaftung Alexej Nawalnys nach dessen Rückkehr nach Moskau. Sie nimmt zugleich eine bestechende Analyse der gegenwärtigen Lage Russlands vor: „Es steht die repressive Macht gegen das Recht. Es steht die korrumpierte Elite gegen die Vertreter einer zivilen Gesellschaft. Und ein trotz aller Fitness alternder Präsident gegen einen jüngeren, fest entschlossenen Mann, der einen Mordanschlag mit einem chemischen Kampfstoff überlebte, den offenbar Mitarbeiter des russischen Militärgeheimdienstes GRU in die Nähte seiner Unterwäsche geträufelt hatten.“ Gloger beleuchtet zudem das Verhältnis zu Deutschland und stellt die Frage, wie es mit Nord Stream 2 weitergehen soll.

Im zweiten Beitrag diese Hauptstadtbriefs setzt Volker Weiß, seines Zeichens Autor eines der besten und hellsichtigsten Bücher zu den „neuen Rechten“ in Deutschland, zu einer scharfen Abrechnung mit den jüngsten kruden Theorien und Tiraden jener Revolutionsfantasten an, die in Washington das Kapitol stürmten und in Berlin Kurs auf den Reichstag eingeschlagen hatten. „Die Reichs-Rhetorik“, schreibt Weiß, „wurde durch die äußerste Rechte nach 1945 weitergeführt und ist mittlerweile erstaunlich popularisiert worden. Auf den ersten Blick mögen diese Referenzen im Vergleich zur Nazi-Symbolik noch das kleinere Übel sein, doch tatsächlich sind die Grenzen fließend.“

Das Jahr 2021 hat immerhin mit der Amtseinführung Joe Bidens und Kamala Harris als neuer Präsident und neue Vizepräsidentin der USA diese Woche eine hoffnungsvolle politische Wende erfahren. Ich habe meinen Hoffnungen und Wünsche an meinen langjährigen Freund Joe – ab sofort: Mr. President – in einem persönlichen Brief am Mittwoch Ausdruck verliehen und den Leserinnen und Lesern des Hauptstadtbriefs in einer Sonderausgabe gesandt. Sie können Ihn hier noch einmal nachlesen.

In diesem Sinne gestärkter Zuversicht verbleibe ich mit herzlichen Grüßen – bis morgen

Ihr Detlef Prinz

Weitere Artikel dieser Ausgabe