Tiefdruckgebiet: Gelingt Armin Laschet noch die Wende?
Tiefdruckgebiet: Gelingt Armin Laschet noch die Wende?
Es war ein kleines politisches Kunststück, das Markus Söder am Donnerstag aufführte: „Ich bin der festen Überzeugung, dass er ein starker Kanzler sein wird“, sagte der CSU-Chef da und versicherte Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet seine „hundertprozentige Unterstützung“. Ein Kunststück war der Auftritt, weil Söder wollte, dass man ihm die Aussage diesmal glauben sollte. Dabei hatte die CSU-Spitze nach der Niederlage Söders im Rennen um die Kanzlerkandidatur wochenlang weiter gestichelt – zu Fehlern Laschets kam der Eindruck der Gespaltenheit der Union. Söder selbst hatte seine Solidaritätsbekundungen für den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten meist in der ihm eigenen süffisanten Art vorgebracht – sodass Zuhörer meist das Gegenteil verstanden.
Aber am Donnerstag meinte es Söder ernst. Denn erschrocken registrieren die Granden der Union, Freunde wie Feinde Laschets, dass die lange nur noch belächelte SPD plötzlich an der Union vorbeizuziehen droht. Mit ungewohnter Geschlossenheit und völliger Konzentration auf Kanzlerkandidat Olaf Scholz schafften es die Sozialdemokraten, aus ihrem 15-Prozent-Loch herauszukommen und mit der Union in Umfragen gleichzuziehen. Auch in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin erleben die zuvor totgesagten Sozialdemokraten vor den Landtagswahlen plötzlich einen erstaunlichen Aufschwung. Und „Bock auf Opposition“ hat auch der CSU-Chef nicht.
Alle wieder einig?
Dabei mündet der Bundestagswahlkampf auf der Zielgeraden zwischen der Union und der SPD in ein Rennen ein, wer der bessere Erbe der Merkelschen Politik ist – und genüsslich präsentiert sich Scholz mit einer Merkel-Raute. Bei der Union dagegen hatten Söder und der konservative Flügel aus ganz unterschiedlichen Gründen Laschets Versuche diskreditiert, ein „Weiter so – aber besser“ zur zentralen Parole des Wahlkampfs auszurufen. Auch die Grünen scheinen nach einer Phase der Dissonanz zwischen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und Ko-Parteichef Robert Habeck wieder geschlossen aufzutreten. Vor lauter Schreck wollen dies nun auch CDU und CSU versuchen. „Aber ob wir den Umschwung jetzt noch einmal schaffen, ist ungewiss“, heißt es zugleich. Die Zweifel an der Einheit sind groß.
Laschet, der ewige Underdog
Das Faszinierende für Freund und Feind ist dabei, dass der Kandidat selbst – quasi im Auge des Sturms – dabei völlig ruhig wirkt. Auch enge Vertraute berichten, dass der CDU-Chef wirklich und weiter unerschütterlich an seinen Sieg glaube – so wie 2017 in Nordrhein-Westfalen und in den Rennen um CDU-Vorsitz und Kanzlerkandidatur. Endscheidend sei die letzte Phase. Nur wird die Zahl derer, die in der Union darauf vertrauen, noch kleiner. Also musste ein Strategiewechsel her: Grob gesagt will die Union mit vier Punkten doch noch die Wende schaffen und deutlich stärkste Partei werden.
Erstens muss der Kandidat selbst liefern. Zwar gehen auch Meinungsforscher davon aus, dass Laschet die Kratzer an seinem Image bis zum 26. September nicht mehr völlig beseitigen kann. In einer Umfrage nach der anderen liegt Scholz in der persönlichen Bewertung deutlich vor dem CDU-Chef – was es auch für potenzielle Koalitionspartner schwierig machen könnte, nach der Wahl ein Bündnis mit Laschet statt mit dem SPD-Kandidaten einzugehen. Aber Söder und andere bauen darauf, dass der CDU-Chef in den TV-Triells gegen Scholz und Baerbock gut abschneidet und sich Kanzler-like präsentiert. „Er kann als neuer Underdog in den Debatten nur gewinnen – während Scholz es nun schwerer hat“, hofft man in der CDU.
Inhalte – doch nicht mehr – überwinden
Zweitens soll nun verstärkt über Inhalte diskutiert werden. Denn quer durch die Flügel der Union gibt man sich überzeugt, unabhängig vom Kandidaten das bessere Programm zu haben. Also sollen in von der Steuer- und Finanz- bis hin zur Klima- und Industriepolitik die Differenzen zu SPD und Grünen herausgearbeitet werden. Dies sei auch durch die Flut, die Konzentration der Medien auf Nebensächlichkeiten sowie nun die Afghanistan-Tragödie nicht so gelungen. Zentraler Begriff ist dabei die „Richtungswahl“, etwa im Ringen um die von SPD und Grünen gewünschten Steuererhöhungen.
Drittens soll der Wahlkampf härter werden. Erkennbar haben viele Unionisten in den vergangenen Tagen die Samthandschuhe ausgezogen und attackieren nun SPD und auch Scholz direkt. Ziel ist es, Scholz als eine Art politische Marionette der viel linkeren SPD-Führung erscheinen zu lassen. Nach der Wahl, so die Unions-Erzählung, würden Kevin Kühnert, Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans wieder den Kurs bestimmen. Dies soll Wähler abschrecken, die Scholz „als das kleinere Übel“ unter den drei Kanzlerkandidaten ansehen könnten.
Schattenkabinettsgefechte
Gerade deshalb, so argumentiert etwa der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans, müsse Laschet aber endlich ein Team präsentieren und die SPD in Zugzwang bringen. Tatsächlich grummeln viele in der CDU seit längerem, dass bisher nur Friedrich Merz als Teammitglied offiziell benannt wurde. Laschet wird vorgeworfen, er nehme viel zu viel Rücksicht auf die Kabinettsmitglieder und wolle es sich auch mit den einflussreichen Männern in seinem Bundesland nicht verderben. Denn ab dem Zeitpunkt, an dem Laschet auch nur ein Kompetenzteam ernennt, werden sich einige als Verlierer fühlen.
Viertens setzt man in der Union in der Endphase des Wahlkampfs auf eine paradoxe, heilende Wirkung der Umfragen-Schocks. Nun habe auch der letzten Unionspolitiker verstanden, dass es nach Merkel kein Abonnement mehr auf das Kanzleramt gebe, heißt es. Gerade weil die Umfragen so schlecht sind, dass sogar ein rotrotgrünes Bündnis wieder möglich scheint, setzt man in der Union darauf, dass dies auch die von Laschet nicht überzeugten Unions-Anhänger mobilisiert.