Editorial des Verlegers
Editorial des Verlegers
Liebe Leserinnen und Leser,
um mir den entscheidenden Satz der Woche gleich einmal von Ulrich Deppendorf zu borgen: „Newsflash: Die Zahl der Corona-Infektionen steigt dramatisch an.“
Das Wissen über die Krankheit mag noch nicht vollständig sein – ja, dürfte auch zu einem gewissen Grad fluide bleiben, weswegen es auch ein gutes Zeichen sein kann, wenn Virologen ihre bisherigen Erkenntnisse revidieren, eben weil sie in der Lage sind, dazuzulernen. Dergleichen wird von eher unlauteren Stellen zu gern als Schwäche oder Unfähigkeit abgetan. Dabei ist das Gegenteil wahr: Wer aufgrund neuerer Untersuchungen, Daten und Fakten seine Position verändern, korrigieren, verfeinern kann, zeigt Stärke und Souveränität.
Zudem ist es ja nicht so, dass sich an den wichtigsten Empfehlungen etwas geändert hätte – Masken tragen, Abstand halten, Hygiene einhalten und frische Luft reinlassen.
Deppendorf, der Herausgeber des Hauptstadtbriefs am Sonntag, hat persönlich zur Feder gegriffen, um einen so ernsten wie dringlichen Appell an Politik und Bevölkerung, ja, an uns alle zu richten. „Wir benötigen jetzt in dieser besonders kritischen Phase der Pandemie einen politischen und gesellschaftlichen Neustart in der Covid-19-Bekämpfung.“ Dem kann ich mich nur anschließen.
In wenigen Tagen steht die US-Präsidentschaftswahl an. Nach der Lektüre der faszinierenden Biographie Henry Kissingers aus der Hand von Bernd Greiner, kam ich nicht umhin – bei allen Unterschieden –, doch auch ein Lehrstück über unsere aktuelle Lage herauszulesen. Greiner, der lange Jahre an der Universität Hamburg lehrte, ist es vortrefflich gelungen, einige Ähnlichkeiten herauszuarbeiten. In seinem Beitrag für den Hauptstadtbrief vermag er es mit feinem historischem Gespür, die politischen Leitlinien Kissingers mit denen Willy Brandts zu kontrastieren – ein geschichtliches und zugleich aktuelles Lehrstück. „Statt die Sprache der Macht wiederzukäuen, wurde eine Grammatik des Vertrauens gelernt“, fasst Greiner die jeweiligen politischen Leitmotive elegant zusammen.
Schrecken und Trost liegen in jeder gelungenen Geschichtsschreibung – Greiners Essay und sein bei C. H. Beck gerade erschienenes Buch „Henry Kissinger. Wächter des Imperiums“ zeigen dies in mustergültiger Form.
Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich bis zur nächsten Woche
Ihr Detlef Prinz