Seelenlandschaften

Editorial des Verlegers

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Seelenlandschaften

Editorial des Verlegers

Liebe Leserinnen und Leser,

jede unglückliche Partei ist auf ihre Weise unglücklich. Oder schämt sich auf ihre jeweils eigene Art über einzelne Minister, Mandatsträger oder Meinungsmacher.

Katharina Hamberger und Christoph Schwennicke haben sich diese Woche für den Hauptstadtbrief am Samstag auf Erkundungstour in die Seelenlandschaften der Parteien der Großen Koalition begeben – wohin soll man auch sonst in diesen Tagen reisen! – und uns ihre jeweiligen Erzählungen zugesandt.

Hamberger differenziert und betont die Unschuldsvermutung, die selbstverständlich auch noch für Abgeordnete des Deutschen Bundestags gilt, deren Immunität aufgehoben wurde. Aber die exzellent vernetzte Korrespondentin des Deutschlandfunks erinnert doch an ein für alle Parteien nicht nur in pandemischen Zeiten kostbares Gut. Niklas Luhmann nannte es einst einen „Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität“ – für Parteien, die Zukunftsversprechen anbieten, ist es unverzichtbar: Vertrauen.

Christoph Schwennicke fragt sich, warum die SPD sich so schwertut, es mit den Zukunftsversprechen nicht zu überziehen und mit allzu bekannten programmatischen Schlagworten die alten Schlachten zu schlagen. Der langjährige Chefredakteur des Magazins Cicero wundert sich auch über die jüngsten Schattengefechte zwischen Wolfgang Thierse und Saskia Esken in Sachen identity politics.

Anne Wizorek macht in ihrer Kolumne Direktnachricht noch einmal in ihrer so elegant-pointierten Art deutlich, dass Politik – und wir – in der Corona-Pandemie noch sehr viel mehr für die tun müssen, die „putzen, pflegen, liefern, verkaufen“, von denen viele People of Color sind, also für die Menschen, für die es keinen vergleichsweise bequemen Lockdown gab oder gibt, für besonders gefährdete Gruppen, für diejenigen, die gänzlich unverschuldet durch das Raster der Coronahilfen gefallen sind. Wizoreks Texte sind ein must read – oder altmodisch gesprochen: Pflichtlektüre.

Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich – bis morgen

Ihr Detlef Prinz

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