Sich gewähren in rauer Wirklichkeit

Editorial des Verlegers

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Sich gewähren in rauer Wirklichkeit

Editorial des Verlegers

Liebe Leserinnen und Leser,

natürlich will ich Sie jede Woche an dieser Stelle zur Lektüre des Hauptstadtbriefs anregen. Das soll auch heute so sein, denn auch in diesen dunklen Tagen im Oktober im Frühherbst der Pandemie gilt es, den politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeiten mit nüchternem Blick – ohne aufgeblasene Thesen und Krawall – ins Auge zu sehen.

Aber erlauben Sie mir – und Ihnen – zuvor ein paar Minuten lyrischer Hausapotheke. Ich greife in solchen Augenblicken gern zu den Gedichten Gottfried Benns, dessen federleichtes und zugleich sanft melancholisches Parlando über die betrübliche Nachrichtenlage tröstet. Angesichts der Aussicht, dass wir die kommenden Monate in einer Form eines Lockdown verbringen müssen, sprachen mich die folgenden Zeilen aus dem Gedicht „Aprèslude“ besonders an:

Die Natur will ihre Kirschen machen
selbst mit wenig Blüten im April
hält sie ihre Kernobstsachen
bis zu guten Jahren still.

Zurück zur rauen Wirklichkeit.

Die Union tritt in ihrer Suche nach einem neuen Vorsitzenden etwas auf der Stelle, keiner der Kandidaten konnte sich bisher so recht nach vorne drängen. Dazu kommt, dass Corona auch den innerparteilichen Willensbildungsprozess deutlich erschwert hat. Zum Glück kann Ursula Münch in ihrem Beitrag für den Hauptstadtbrief die unklare bis verfahrene Situation in allen Facetten beschreiben. Damit beweist die Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing einmal mehr ihre Expertise in Sachen CDU und CSU, der Geschichte beider Parteien und versteht es sehr gut zu verdeutlichen, wie ausgezehrt die geistigen Kraftreserven in der Partei derzeit sind. Nicht nur Anhänger, sondern auch Gegner der Partei können darüber besorgt sein, denn, wie Münch analysiert, ist die Fähigkeit des Kanzlerwahlvereins zur Modernisierung eng verbunden mit der Fähigkeit Deutschlands, sich neuen Herausforderungen zu stellen.

Die größte und akuteste Herausforderung dieser Tage dürfte die Coronakrise sein. Frank Hofmann, von dessen hervorragend recherchierten Texten ich im Hauptstadtbrief jedes Mal Neues lerne und verstehe, hat mit dem Berliner Physiker Dirk Brockmann und der Erfurter Psychologin Cornelia Betsch gesprochen und einige sehr einleuchtende Erkenntnisse mitgebracht. Hofmanns Beitrag ist auch eine Hausapotheke – eine Anleitung, wie wir Körper und Geist schützen können.

Spenden wir einander – lyrischen oder anderen –Trost, bleiben wir hoffnungsvoll auf einen neuen Frühling!

Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich – bis morgen

Ihr Detlef Prinz

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