Postskriptum
Postskriptum
Zu Beginn ihres – so viel vorweg: intellektuell und stilistisch betörenden – Buches, das man getrost eine Autobiographie nennen darf, erzählt Hannelore Schlaffer, dass sie ihren Lebensweg als Autorin mangels anderer Möglichkeiten damit begann, ihren Jugendfreundinnen lange Briefe zu schreiben. Das Lob dafür war ihr damals höchster Rang: „Die Hanne, also, die schreibt so arg schöne Briefe“. Schlaffer wurde nach langer Lehrzeit Lektorin und außerplanmäßige Professorin für Neuere Deutsche Literatur, vor allem aber Autorin und Feuilletonistin der Spitzenklasse.
Schlaffer hat in ihren Essays die politisch-soziologischen Dimensionen der Mode, die Wandlungen des Stadtlebens und der intellektuellen Ehe mit ihrem gleichzeitig sanft spöttischen und freundlichen Blick so elegant seziert, dass der Erkenntnisgewinn einen sofort milder stimmen lässt über all die heiß debattierten Zeitgeistphänomene, vermeintliche Geschlechterrollen, Bürgertum – oder was davon übrig ist, den unaufhaltsamen Siegeszug des Räuberzivils bis in die höchsten Etagen der Funktionseliten.
In „Zeit meines Lebens. Was war und noch ist“ (zu Klampen Verlag) erzählt die 1939 in Würzburg geborene Schlaffer im besten Sinne exemplarisch aus ihrem Leben, vom Lesen, Schreiben und Denken, von der Nachkriegsstimmung, universitären Sitten und Gebräuchen und, immer damit verbunden, die in allen Schattierungen präsentierte Geschichte der Emanzipation.
Über ihre kulturkatholische Kindheit heißt es etwa: „Erst die Reflexion im Nachhinein lässt mich erkennen, dass ich und in welchem Maße ich aus der frommen Umgebung zwar nicht Wahrheiten bezog, wohl aber Schönheiten, nicht Glaube, aber Stil.“ Schlaffer schreibt überaus amüsant über die unterschiedlichen Sprachen von Frauen und Männern. Letztere müssten sich noch immer an der Strenge des Diskurses orientieren, ein platzierter Witz ist gerade so erlaubt. Frauen hingegen sprängen von Idee zu Idee, mit dem Einverständnis ihrer Gesprächspartnerinnen. Aphoristisch verdichtet: „Männer dürfen nie dumm erscheinen, sind es aber manchmal; Frauen können dumm aussehen, sind es aber gar nicht so oft.“
Schlaffer erzählt stets federleicht, schreibt suggestiv, gelehrt und persönlich. „Zeit meines Lebens“ ist vordergründig eine Geschichte der mittleren Jahre der Bundesrepublik, aber mit überaus wachen Augen auf die Gegenwart. „Die Mädchen von heute genießen den freien Umgang mit ihren Freunden“, schreibt Schlaffer, „sie dürfen sie lieben, eine Freiheit, von der sie nicht wissen, wie jung sie ist, kaum älter, als sie selbst es sind. Ich beneide sie nicht, ich bedaure nur, dass sie nicht wissen, welch ein historisches Glück ihnen zugefallen ist. Wüssten sie es, wären sie noch einmal so froh. Der Wandel ging aber so geschwind und reibungslos vor sich, dass sich daran kein Gedächtnis bindet. Ohne Konflikt keine historische Erinnerung!“
Das ist einer der besonderen Kniffe Schlaffers: so nüchtern und präzise Unterschiede zu beschreiben, dass die gestochen scharfe historische Kontrastierung es leicht macht, die kulturkritisch abgelaufenen Pfade links, vor allem aber rechts getrost liegen zu lassen.
Einmal beschreibt die Autorin ihr geliebtes Tennisspiel als ein „schönes jugendliches Drama“ – im Gegensatz zu einem Leben aus lauter braven gelenkschonenden und kreislaufstärkenden Gesundheitsübungen – „eine Komödie gegen eine viel zu lange Autobiographie“. In Hannelore Schlaffers Lebensgeschichte sitzt jede Zeile.