Theo Sommer und Joachim Fest
Theo Sommer und Joachim Fest
Ihre journalistischen Temperamente – Duktus, Deutungen, Denken – könnten auf den ersten Blick kaum unterschiedlicher sein. Doch der Anfang der Woche verstorbene Theo Sommer und Joachim Fest haben mehr gemein, als es den Anschein haben mag – und in ihrem publizistischen Werk verdichtet sich (west-)deutsche Wirklichkeit in ihren mittleren Jahren nach der Zäsur 1945 exemplarisch in seiner höchsten geistigen Ausprägung.
Theo Sommer und Joachim Fest
Der 1930 geborene Sommer prägte das liberale Blatt Deutschlands, Die Zeit, als Chefredakteur von 1973 bis 1992, Fest, geboren 1926, war von 1973 bis 1993 der für das Feuilleton zuständige Herausgeber der bürgerlichen FAZ. (Er starb 2006.) Der Begriff der Leitmedien ruft in unserer heutigen Internetöffentlichkeit sogleich allerlei Argwohn hervor – Fest hätte übrigens von einem Soupçon gesprochen. Aber die beiden publizistischen Flaggschiffe der linken und rechten Mitte erlebten in jenen beiden Jahrzehnten die „fetten Jahre im Leben einer ganzen Generation“, wie Gabriele Tergit fünfzig Jahre zuvor die Blütezeit von Berliner Tageblatt, Vossischer Zeitung und Weltbühne bezeichnet hatte.
Die Bundesrepublik stand in jener Zeitspanne in vollem Saft, mit im Rückblick gesehen stabilen Regierungen, einer robusten Volkswirtschaft und einer debattenfreudigen, demokratisch gereiften Debattenkultur. Erheblichen Anteil daran hatten Sommer und Fest.
Den verbrecherischen Krieg des Dritten Reichs hatten sie in dessen letzter Phase erlebt – und waren ein Leben lang davon geprägt. Aber das von Hermann Lübbe so klarsichtig beschriebene „kommunikative Beschweigen“ der Verbrechen des Nationalsozialismus, das er als Mechanismus beschrieb, mit dem aus einer Mitläufergesellschaft eine Bürgergesellschaft wurde, galt der älteren Generation. Ein Jahrzehnt älter als die typischen Achtundsechziger fehlte Sommer und Fest aber zugleich das Verständnis für jene blindwütig-rigorose Form der Aufarbeitung.
Fests monumentale Hitler-Biographie war auch eine Antwort auf die unterschiedlichen Formen der deutschen Geschichtsvergessenheit. Um seine Wiederkehr zu verhindern, gelte es, den Nationalsozialismus und dessen grauenvoll-gewaltige Energieentfaltung historisch zu begreifen, die moralischen Lehren hingegen sollten sich von selbst verstehen. Der kluge Blick Sommers auf die USA als zugleich überzeugter Transatlantiker, aber auch wohlwollend auf deutsche und europäische Unabhängigkeit von Washington drängend, dürfte erheblich zu dem pragmatisch-abgewogenen Bild jener Zeit beigetragen haben. Wie viel Verlass ist heute, wo das radikale Denken wieder zu locken scheint, noch auf solche Einsichten und Überzeugungen?
Aufs Ganze gesehen dürfte der Schlüssel zur Bedeutung Sommers und Fests auch darin gelegen haben, dass sie schreibend ein Charisma zu entwickeln verstanden, das nicht Ich sagen musste, um sie vermittels suggestiven Denkens und souveränen Stils zu außergewöhnlichen Persönlichkeiten zu machen.