Beim Geld hört der Spaß auf. Der Ton in der Ampelkoalition verschärft sich
Beim Geld hört der Spaß auf. Der Ton in der Ampelkoalition verschärft sich
Unvorhersehbare Krisen gehören zur Politik und können zur Nagelprobe für die Arbeitsfähigkeit von Koalitionen werden. Gerade die Dinge, die nicht in Koalitionsverhandlungen ausdiskutiert worden sind, sind potenzielle Spaltpilze für ein Bündnis.
Die Ampel ist bei der Frage um die zukünftige Finanz- und Wirtschaftspolitik bereits an diesem Punkt angekommen. Dort zeigt sich gerade sehr deutlich, wie unterschiedlich die Parteien fühlen, denken und handeln möchten. Gleichzeitig bleiben SPD, Grünen und FDP nicht viel Zeit, einen gemeinsamen Weg zu finden, den alle mitgehen können.
Denn: Steigende Energiepreise, steigende Lebenshaltungskosten, verschärft noch durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, wirken sich auf den Geldbeutel der Menschen und das Wohlergehen der Wirtschaft aus. Über die tagespolitische Dimension hinaus rufen die Umstände Ängste in der Politik hervor, dass die gesellschaftlichen Auswirkungen noch gravierender wirken könnten.
Was, wenn die Schere zwischen denen, die sich um Butter für drei Euro nicht scheren, sich gerade einen Audi e-tron als Zweitwagen zugelegt haben und das Thermostat nie unter 24-Grad-Wohlfühltemperatur fallen lassen – und denen, die jeden Cent dreimal umdrehen müssen, wenn es um den Einkauf von Lebensmitteln geht, aufs Benzin-Auto angewiesen sind und befürchten, im Winter bibbern zu müssen, immer weiter auseinandergeht – und die oft befürchtete Spaltung der Gesellschaft sich noch verschärft?
In einer Nachtsitzung hat die Koalition (die eigentlich auf nächtliche Diskussionsrunden mit schnellen Ergebnissen verzichten wollte) vor wenigen Wochen ein Entlastungspaket beschlossen, das vor allem ein Quid pro quo war und der Ampel mehr Ärger als Freude einbrachte. So wurde das 9-Euro-Ticket zwar freudig von vielen Millionen angenommen, legte den Fokus aber auch auf die eklatanten Defizite bei der Deutschen Bahn und im öffentlichen Nahverkehr – von der Nachhaltigkeit eines 3-Monats-Tickets mal gar nicht zu sprechen. Und der sogenannte Tankrabatt blieb zwar nicht komplett ohne Wirkung – allerdings war diese so minimal, dass sich schnell die Kosten-Nutzen-Rechnung stellte. Die Schuld dafür schob man sich in der Koalition gegenseitig zu. Der Spiegel berichtete zuletzt, dass die Idee eines Tankrabatts via Energiesteuersenkung für die Mineralölkonzerne wahrscheinlich von den Liberalen stammte, in einem der Entwürfe für ein mögliches Beschlusspapier war die Variante als Vorschlag der FDP markiert. Die Partei streitet dies ab. Laut Lindner wollten die Grünen von seinem bevorzugten Modell einer staatlichen Beihilfe nichts wissen.
Vermeintlich beendet wurde diese Diskussion erst durch eine von Wirtschaftsminister Robert Habeck vorgeschlagene Kartellrechtsverschärfung, mit der vorerst alle leidlich leben können, die allerdings nach wie vor in zentralen Punkten recht unkonkret ist und vor allem nicht schnell wirksam sein wird. Die Grünen vermuten laut Spiegel, dass die FDP genau das einkalkuliert habe, um Habeck zum Schuldigen am größtenteils verpuffenden Benzinrabatt ausrufen zu können. Aber immerhin vermittelt die Ankündigung, das Kartellrecht eventuell zu verschärfen, den Eindruck, die Bundesregierung tue etwas – und das auch noch gemeinsam.
Der Streit zeigte zugleich, dass es in der Bundesregierung wirtschafts- und finanzpolitisch zwei Lager gibt: FDP auf der einen und Grüne und SPD auf der anderen Seite. Das war auch schon der Grund, warum der Koalitionsvertrag genau bei diesen Themen oft vage blieb. Feste Verabredungen, welchen Weg die Ampelkoalition einschlagen wolle, wurden nicht getroffen – im Gegensatz etwa zu den gesellschaftspolitischen Vereinbarungen, wo sich die Parteien, besonders Grüne und FDP, im Großen und Ganzen sehr viel eher einig ist.
Anders ist das beispielsweise bei der Frage, wo das Geld für zukünftige Investitionen herkommen soll. Einig ist man sich dort nur bei der Schuldenbremse. Sie ist im Koalitionsvertrag festgeschrieben. „Die öffentlichen Investitionen (…) werden wir im Rahmen der gesetzlichen Schuldenregel des Grundgesetzes gewährleisten“, heißt es dort. Christian Lindner pocht auch als Finanzminister darauf, dass daran nicht gerüttelt wird (auch wenn die Kreativität, die Schuldenbremse zu umgehen, groß ist, wenn es denn sein muss, wie beim Sondervermögen für die Bundeswehr). Die FDP will außerdem, das ist keine Überraschung, am liebsten Steuersenkungen, vor allem bei der Einkommenssteuer, um die Bürger und Bürgerinnen zu entlasten, seit Urzeiten nach dem liberalen Glaubenssatz: „Mehr Netto vom Brutto.“ Etwas, das SPD und Grüne wiederum nicht per se ablehnen, das sie aber gleichzeitig mit einer ihrer Kernforderungen verbinden wollen: der Anhebung des Spitzensteuersatzes. Für die FDP das rotgrünste aller Tücher.
Erschwerend für die Ampel kommt hinzu, dass die vergangenen Landtagswahlen für zwei von drei Koalitionsparteien nicht so ausfielen wie erwartet. Gerade bei der FDP hat dies dazu geführt, dass man die eigenen Erfolge noch mehr ins Rampenlicht stellen will – Punkte sammeln für die kommenden Jahre, vor allem für die Bundestagswahl.
Im politischen Berlin wird aber bereits die Frage gestellt, ob SPD, Grüne und FDP bis zum regulären Ende durchhalten werden.
In den kommenden Wochen wird sich zeigen, wie belastbar diese Koalition ist, vor allem dann, wenn es zu Entscheidungen kommt, die schnell getroffen werden müssen, bei denen es aber kaum gemeinsame Nenner gibt.