Kolumne | Auf den Zweiten Blick
Kolumne | Auf den Zweiten Blick
Preise haben mehrere Funktionen. Eine ist die der Information über die Knappheitsverhältnisse in der Güterwelt. Derzeit steigen die Preise – nach dem Warenkorb des Statistischen Bundesamtes im Mai auf Jahresbasis um 7,9 Prozent. Das ist zugegebenermaßen heftig. Für den Schub ist allerdings weniger eine generelle Güter- oder gar Lebensmittelknappheit oder die überbordende Liquidität verantwortlich, die die Notenbanken weltweit seit Jahren über die Volkswirtschaften ergießen, als vielmehr eine Reihe an Ereignissen, die von Ökonomen als „exogene Schocks“ bezeichnet werden: die Pandemie, die dadurch gestörten Lieferketten, der Mega-Lockdown in Shanghai, der die Lieferkrise verschärft, und natürlich der russische Krieg gegen die Ukraine. So viel krisenhafte Zuspitzung war Jahrzehnte nicht. Natürlich sind dadurch die Energiepreise drastisch gestiegen. Sie treiben die Produktions- und Transportkosten vor sich her. Und die Erwartung weiterer Engpässe befeuert die Entwicklung noch.
Nach volkswirtschaftlicher Lehrbuchlogik würden in normalen Zeiten gestiegene Preise für Produzenten Anreize schaffen, ihr Angebot auszuweiten. Aber normal sind diese Zeiten nun mal nicht, was die einzelwirtschaftlichen Reaktionsmöglichkeiten eng begrenzt.
Die Politik hat inzwischen reagiert – mit „Entlastungspaketen“, so wie es seit Beginn der Pandemie nun mal Usus ist: 9-Euro-Ticket, Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe, 300 Euro Energiepreispauschale, Erhöhung der Pendlerpauschale, Absenkung der EEG-Umlage und jetzt nach den Vorstellungen des Sozialministers Hubertus Heil auch noch ein soziales „Klimageld“ für alle mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von bis zu 4000, bei Paaren bis zu 8000 (sic!) Euro.
Dass der Sozialminister seinen geplanten zusätzlichen Geldregen nun ausgerechnet „Klimageld“ nennt, nur weil damit den vor allem von den Energiepreissteigerungen und ihren Folgewirkungen belasteten Haushalten Erleichterung verschafft werden soll, ist mehr als erklärungsbedürftig. Denn dieses Klimageld hilft dem Klima gerade nicht. Es hebelt die Wirkungen des klimapolitisch so ungemein wichtigen Informationssignals aus, das von den erhöhten Energiepreisen ausgeht. Mehr noch, es konterkariert sie geradezu, was angesichts der desaströsen CO2-Bilanz hierzulande der Heil’schen Diktion einen fast zynischen Beigeschmack verleiht. Denn hohe Energiepreise – auf was immer sie derzeit zurückzuführen sind – signalisieren den Haushalten eigentlich vor allem eines: dass sie sich endlich ernsthaft Gedanken machen müssten über das Energie- und damit CO2-Sparen, von Oktober an womöglich weniger heizen, weniger Autofahren und wenn doch, dann nicht so schnell und schon gar nicht allein im Wagen. Was also den Minister auf die Bezeichnung „Klimageld“ gebracht hat, mit dem Otto-Normalverdienenden bei unerbittlich fortschreitender Erderwärmung ein umweltschädigendes Weiter-So ohne klimapolitische Rücksichtnahme ermöglicht werden soll, weiß der Himmel. Der Name ist mindestens so verlogen wie das Versprechen dahinter. Dass nämlich der Staat dafür da ist, seine Bürger jenseits der Absicherung der großen Lebensrisiken vor allem zu schützen, was ihnen ins Portemonnaie greift, so, als wäre die Welt nicht längst eine andere geworden.