Editorial des Verlegers
Editorial des Verlegers
Liebe Leserinnen und Leser,
mit dem Ende des Kalenderjahrs 2020 geht auch die deutsche EU-Ratspräsidentschaft zu Ende. Zeit für eine Bilanz – und wer könnte dies besser als Ursula Münch.
Die Direktorin der Akademie für Politische Bildung Tutzing – und immer wieder herausragende Autorin des Hauptstadtbriefs – wirft ihren unbestechlichen Blick auf Erfolge und Niederlagen der Bundesregierung in Brüssel in den vergangenen sechs Monaten.
Ihr gemischtes Ergebnis hat nichts mit Unentschiedenheit zu tun, sondern vielmehr mit eben jenem Leitmotiv des Hauptstadtbriefs und der Klugheit der Autorin: Die politische Wirklichkeit in ihren vielfältigen Ausprägungen lässt sich nicht über einen reißerischen Leisten schlagen, zur genauen Betrachtung und den notwendigen Differenzierungen gibt es keine Alternative.
Münch beklagt das Scheitern des Versuchs, eine grundsätzliche Einigung über die zukünftigen Prinzipien der europäischen Flüchtlingspolitik zu erzielen, begrüßt, dass es immerhin Fortschritte in Sachen Klimaschutz gab – selbst wenn diese noch lange nicht ausreichen dürften – und wägt Vor- und Nachteile der Deals, die zur Verabschiedung des europäischen Corona-Hilfspakets führten. Eine erhellendere Analyse deutscher Politik in Europa kann ich mir kaum vorstellen.
Im zweiten Beitrag dieses Hauptstadtbriefs bleibt Peter Brandt beim Thema – und setzt zu einer historischen Einordnung der Rolle des Kontinents im geopolitischen und historischen Kontext an. Brandt, der lange Jahre Geschichte an der Fernuniversität Hagen lehrte, rekapituliert in seinem eleganten Essay auf engem Raum die Entwicklung Europas im 20. Jahrhundert in jener Manier, die im Englischen so unnachahmlich als sweeping bezeichnet wird – so schwungvoll wie umfassend.
„Gewiss brauchen wir das vereinte Europa, eine handlungsfähige, in sinnvoller Abgrenzung zur nationalstaatlichen Ebene besser funktionierende und demokratisierte Union.“ Das ist an Europa selbst gerichtet, aber auch mit Blick auf die amerikanischen Freunde, von denen wir alle hoffen, dass im kommenden Jahr mit dem Abschied des amtierenden Präsidenten auch dessen Ungeist auf dem Abfallhaufen der Geschichte landen möge.
Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich – bis morgen
Ihr Detlef Prinz