Editorial des Verlegers
Editorial des Verlegers
Liebe Leserinnen und Leser,
vor einigen Jahren stieß ich auf einen schmalen, aber konzisen und klugen Band, der so einiges über deutsche Debatten, falsche volkswirtschaftliche Analogien und Finanzpolitik an sich erhellte. Es handelte sich um Lukas Hafferts „Schwarze Null. Über die Schattenseiten ausgeglichener Haushalte“ (erschienen in der edition suhrkamp und noch immer unbedingt lesenswert). Nachdem in den vergangenen Tagen in Zeitungen und Fernsehsendungen eine halbgare politökonomische These in Sachen GameStop-Aktien-Höhenflug die nächste ablöste, schien mir dies der Moment zu sein, eben jenen Lukas Haffert zu bitten, die Hintergründe mit nüchternem Blick zu betrachten.
Haffert, der nach Forschungsaufenthalten am Max-Planck-Institut in Köln und der Harvard University inzwischen in Zürich politische Ökonomie lehrt, erklärt in diesem Hauptstadtbrief am Samstag, warum hinter der GameStop-Saga weniger stecken könnte, als von so manchen Deutern angenommen. Haffert will weder verharmlosen noch aufbauschen, dafür aber vor ökonomisch linken oder rechten Vereinnahmungen warnen. „Tatsächlich schreibt sich die Analogie zwischen Kleinanlegern und populistischen Wählern fast wie von selbst“, so Haffert, „so wie der Populismus in der Politik von der Inszenierung eines Gegensatzes von ‚Volk‘ und ‚Elite‘ lebe, so wird dort ein Konflikt zwischen der Masse der Kleinanleger und der Wall-Street-Aristokratie behauptet.“
Gisela Dachs, die normalerweise für den Hauptstadtbrief aus Israel berichtet, hat für ihren Beitrag in dieser Ausgabe die Blickrichtung einmal umgekehrt. Mit ihren Co-Autoren Anne Beier und Benjamin Nickl beobachtet sie, wie Berlin in der Welt wahrgenommen wird – und zwar via der beliebten und preisgekrönten TV-Serienproduktionen auf Netflix und anderen Streamingdiensten, die in diesen Pandemietagen ja ohnehin unser Fenster zur Welt geworden sind. Deborah Feldmans Serie „Unorthodox“ etwa ist diese Woche für einen Golden Globe nominiert worden.
In diesen neuen Produktionen werde „das Image einer bunt gefächerten toleranten Metropole bedient, die ihre Vergangenheit nicht verdrängt“, schreiben die Autorinnen und Autoren, „es gibt oft einen Chor an verschiedenen Sprachen, Religionen oder ethnischen Zugehörigkeiten.“
Hoffen wir, nicht nur unsere Stadt bald auch wieder in ihrer ganzen Fülle erleben zu dürfen!
Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich – bis morgen
Ihr Detlef Prinz