Überwinden

Postskriptum

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Überwinden

Postskriptum

Eigentlich doch eine schöne Sache, dass es Wahlplakate noch immer gibt, Papier ist ja so teuer geworden und auch sonst soll heutzutage alles digital sein. In Berlin hat das Wahlvolk nun nach kaum mehr als eineinhalb Jahren erneut das Vergnügen, an jedem zweiten Laternenpfahl mit neuen Ankündigungen, Botschaften und Wünschen umworben zu werden.

Die Berliner CDU hatte – für alle Nörgler, denen die Sprüche immer allzu oberflächlich erschienen, geht es doch um wichtige Inhalte – das gesamte Wahlprogramm in kleiner Schrift plakatiert. Könnte natürlich auch ein guter Politologinnen-Witz gewesen sein. In diesem Wahlkampf hat die Partei ein Poster im Programm, auf dem es heißt: „Was Kriminelle bald häufiger hören: Haftbefehl“. Endlich Schluss mit lascher Justiz oder Gratis-Spotify-Abos für Gefängnisinsassen, damit sie sich mit den Songs des berühmten Rappers selbigen Namens die Zeit vertreiben können? „Meine Politik muss nicht allen gefallen. Aber für alle funktionieren“, äußert sich Spitzenkandidat Kai Wegner auf einem anderen Plakat schon sehr viel weniger witzig. Hat er sich mit seiner fehlenden Ausstrahlung und bescheidener Beliebtheit bereits abgefunden? Oder unterstellt er, gut marxistisch, dem verblendeten Wahlvolk ein falsches Bewusstsein, dass selbst seine „funktionierende“ Politik noch Missfallen bei den Menschen hervorriefe?

Die SPD wirbt mit „29-Euro-Ticket für alle“. Soll es also in Zukunft verschenkt werden? Denn für 29 Euro können es ja schon jetzt alle kaufen. Die FDP neigt offensichtlich im Bund wie in Berlin dazu, ihre Spitzenkandidaten wie männliche Mannequins zu stylen. Über Christian Lindners Porträts und welchen Eingriffen er sich wohl unterzogen haben mag, wurde schon viel spekuliert. Das Bild seines Berliner Statthalters Sebastian Czaja ist nicht nur dem Buchcover Prinz Harrys auffallend ähnlich, es ist auch, gepflegter Dreitagebart, makelloser Teint und betörender Blick, sehr gut ausgeleuchtet. „Politik, das Hollywood für Hässliche“, hieß es einst. (Heute fiele der Satz unter Lookism, Diskriminerung auf Grund des Aussehens, und wird deswegen zu Recht nicht mehr verwendet.)

Die besten Plakate hat, nicht nur zu dieser Wahl, aber natürlich die Partei „Die Partei“, was selbst die sich so marktfreundlich gebende FDP zugeben müsste – da doch allein die von Martin Sonneborn geführte Kleinpartei ihre Plakate gewinnbringend im eigenen Shop zu verkaufen versteht. Da gibt es die zu jeder Wahl passenden Klassiker „Schlimm“ oder „Inhalte überwinden“, nur noch vom legendären Plakat mit dem Schriftzug „Groko Haram“ übertroffen, in Anspielung auf die terroristische Vereinigung Boko Haram, was in etwa mit „Vorspiegelung falscher Tatsachen ist Schande“ zu übersetzen ist. Passt.

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