Kolumne | Auf den Zweiten Blick
Kolumne | Auf den Zweiten Blick
Die Fallzahlen steigen wieder. Das Robert Koch-Institut (RKI) warnt bereits vor einer zweiten Corona-Welle, und vielen Deutschen dämmert inzwischen, was sie lange nicht wahrhaben wollten: dass wir alle womöglich über Jahre unter Pandemie-Bedingungen leben müssen, sofern kein Impfstoff gefunden wird. Die Bundesregierung hat sich derweil auf eine Politik staatlicher Fürsorge verlegt, die mitunter bizarre Blüten treibt. Aus Angst davor, dass zurückkehrende Urlauber wissentlich oder unwissentlich infiziert nach Hause kommen, soll von Montag an eine allgemeine Rückkehrer-Testpflicht gelten, sofern ein auf der Risikoliste des RKI befindliches Land bereist wurde. Das allein wäre noch keinen zweiten Blick wert, hätte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nicht auch verfügt, dass fortan die Allgemeinheit die Kosten dafür trägt.
Warum eigentlich? Nur, weil der Test für Rückkehrer zur Pflicht wird? Oder um sich nicht den Unbill der Bürger zuzuziehen, die längst gewohnt sind, dass Folgekosten staatlicher Schutzanordnungen gemeinhin auch der Staat zu schultern habe?
Deutschland ist verfassungsrechtlich ein Sozial- und Fürsorgestaat, dessen gesellschaftliche Gruppen immer wieder aushandeln müssen, wo genau die Grenzen zwischen Kollektiv- und Individualverantwortung verlaufen. Privates Risikokalkül bleibt davon niemals unberührt.
Wer in Zeiten einer Pandemie auf eine Auslandsreise nicht verzichten will und sich an vollen Stränden, Strandpromenaden oder gar Bars vergnügt, geht – sehr bewusst – ein Risiko ein. Risiko ist nicht nur ein Adrenalin treibender Spaßverstärker, sondern ein veritabler Kostenfaktor, der gemeinhin in Form einer Prämie in jedem unternehmerischen und privaten Kalkül seinen Niederschlag findet. Es gibt keinen Grund, dass diese Minimalprämie in Form der Kosten eines verpflichtenden Covid-19-Tests im Fall von Auslandsreisen vom Staat übernommen wird. Man könnte schließlich auch in Deutschland Urlaub machen. Dass ausgerechnet Urlauber den mittleren zweistelligen Betrag nicht finanzieren können, ist auszuschließen. Den Urlaub haben sie sich schließlich auch geleistet.
Wer in Deutschland lebt, hat ein Grundrecht darauf, dass ihn der Staat vor Infektionsrisiken durch jene schützt, die bereit sind, sich solchen im Ausland auszusetzen. Der Staat kann das allein dadurch tun, dass er Urlauber dazu zwingt, das erhöhte Reiserisiko in ihr privates Kostenkalkül einzureisen. Urlauber würden merken, dass in Pandemie-Zeiten Fernweh teuer werden kann, und sich ihr Abenteuer vielleicht zweimal überlegen.