Unterbuttern lassen oder profilieren

Alles Schwarz-Grün oder was? Welche Rolle Linke und FDP nach der Bundestagswahl spielen könnten

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PICTURE ALLIANCE/WINFRIED ROTHERMEL
Eine schwarz-grüne Ampel – oder sieht die Union rot (-rot-grün)?
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PICTURE ALLIANCE/WINFRIED ROTHERMEL
Eine schwarz-grüne Ampel – oder sieht die Union rot (-rot-grün)?

Unterbuttern lassen oder profilieren

Alles Schwarz-Grün oder was? Welche Rolle Linke und FDP nach der Bundestagswahl spielen könnten

Der Ausgang der Bundestagswahl im September wird von drei Faktoren entschieden: Kandidaten, Themen und Koalitionsmöglichkeiten. Was die beiden ersten Punkte angeht, ist fast alles offen. Union und Grüne müssen ihre Kanzlerkandidaten noch finden. Auch bei der Linken und der AfD ist unklar, welche Spitzenkandidaten für sie ins Rennen ziehen. Nur bei der FDP dürfte deren Vorsitzender Christian Lindner als gesetzt gelten.

Welche Themen den Wahlkampf beherrschen werden, lässt sich ebenfalls nicht absehen. Wird die Rückschau auf die Fehler beim Corona-Management, über die gerade heftig gestritten wird, im August und September noch eine große Rolle spielen oder der Blick eher nach vorne gerichtet sein? Mit welcher Perspektive wird man auf die wirtschaftlichen Folgen der Krise schauen? Geht es vorrangig um eine möglichst rasche Erholung der Wirtschaft, dürfte der Vorteil eher auf der Seite von Union und FDP sein. Rücken dagegen Verteilungskonflikte und -ungerechtigkeiten in den Vordergrund, könnten die linken Parteien (zu denen auch die Grünen zählen) profitieren, womöglich auch die fundamentaloppositionelle AfD.

Was den dritten Faktor – die Koalitionsmöglichkeiten angeht – lassen sich zwar verschiedene Szenarien durchspielen, aber ebenfalls keine Voraussagen treffen. Der Grund liegt in den unsicheren Mehrheitsverhältnissen. Im Moment weisen die Umfragen eine komfortable Mehrheit für ein schwarz-grünes Bündnis aus. Auch die bestehende schwarz-rote Koalition könnte, wenn sie denn wollte, weiterregieren. Ein Linksbündnis oder eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP wären mit jeweils etwas mehr als 40 Prozent von einer Mehrheit dagegen weit entfernt.

Ob das bis September so bleiben wird, ist aber nicht sicher. Das derzeitige Umfragehoch der Union ist vor allem ihrer Führungsrolle bei der Pandemiebekämpfung und der ungebrochenen Beliebtheit der Kanzlerin geschuldet. Wie groß die Gruppe der Wähler ist, die sich von einer CDU ohne Angela Merkel abwenden könnten, lässt sich schwer abschätzen – und genauso wenig, welcher anderen Partei sie sich dann zuwenden würden: der SPD mit ihrem Merkel im Habitus ähnlichen Kanzlerkandidaten Olaf Scholz, den in die bürgerliche Mitte gerückten Grünen oder der FDP, die der Union programmatisch nach wie vor am nächsten steht. Alle drei Parteien werden diese Merkelwähler umwerben. Sind sie darin erfolgreich, könnten auch ein Linksbündnis oder eine Ampel mehrheitsfähig werden.

Doch sind die möglichen Alternativen zu Schwarz-Grün von den jeweils beteiligten Partnern überhaupt erwünscht, und wären sie politisch gangbar? Die Antwort darauf hängt zum einen von den inhaltlichen Gemeinsamkeiten der Parteien ab, zum anderen vom Kräfteverhältnis. Letzteres entscheidet unter anderem darüber, wer als stärkste Partei in der Koalition das Amt des Regierungschefs beanspruchen kann. In Baden-Württemberg und in Thüringen hat die SPD bereits die Erfahrung gemacht, sich gegenüber den Grünen beziehungsweise der Linken mit der Rolle des Juniors begnügen zu müssen. Auf der Bundesebene würde sie es vermutlich ähnlich halten, wenn damit die Bildung einer Regierung ohne die Union möglich wäre. Bei den Grünen ist es dagegen eine offene Frage, ob sie die Juniorrolle in einem Dreierbündnis mit SPD und Linken oder SPD und FDP einem schwarz-grünen Zweierbündnis vorziehen würden.

Was die inhaltlichen Fragen angeht, wäre ein Linksbündnis wohl leichter machbar als eine Ampel, bei der die FDP fürchten müsste, von den beiden deutlich links von ihr stehenden Partnern „untergebuttert“ zu werden. Die Linke ist heute prinzipiell regierungsbereit. Umgekehrt haben SPD und Grüne zwar weiterhin Vorbehalte gegen eine Zusammenarbeit, schließen diese aber nicht mehr aus. Die Fallstricke liegen insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Ob die jüngste Volte der SPD in Sachen Drohnenbewaffnung als Öffnungssignal in Richtung Linke gedeutet werden kann, sei dahingestellt. Der Beschluss wird aber sicher nicht das letzte Wort bleiben. Auch die Russlandfreundlichkeit der Linken, die im Zuge des Giftanschlags auf den Regimekritiker Alexej Nawalny für manche irritierende Äußerung gesorgt hat, dürfte gerade im Verhältnis zu den Grünen schwierige Konflikte bergen. Dies könnte schon im Vorfeld auf Wähler abschreckend wirken, wenn durch die Umfragen ein Linksbündnis als Möglichkeit tatsächlich im Raum steht.

Mehr noch als ein Linksbündnis ist die Ampel ein Thema, über das sich die beteiligten Seiten im Vorfeld der Wahl am liebsten in Schweigen hüllen würden. SPD und Grüne hegen starke Abneigungen gegen die aus ihrer Sicht allzu marktfreundlichen Positionen der FDP, die einer fortschrittlichen Sozial- und Klimapolitik im Wege stünden. Auch diese kann mit der Möglichkeit eines Zusammengehens mit Rot und Grün nicht offen hausieren gehen, weil sie damit Gefahr liefe, ihre unionsaffine Wählerschaft zu verprellen. Die jüngsten Avancen der FDP in Richtung Jamaika lassen sich wahrscheinlich so deuten.

Dabei wäre eine Ampel vielleicht gar nicht so abwegig, wie es auf den ersten Blick erscheint. Die FDP hätte mit ihr die Chance, sich als wirtschaftspolitisches Korrektiv in einer linken Regierung zu profilieren. Gleichzeitig könnte sie mit der Bildungspolitik und Digitalisierung Felder besetzen, die sie schon 2017 stark machen wollte und als Grund für ihren Ausstieg aus den Jamaika-Verhandlungen genannt hat. SPD und Grüne hätten wiederum den Vorteil, über einen außenpolitisch verlässlichen Partner zu verfügen – anders als bei der Linken.

Auftrieb bekommen könnte die Diskussion über eine Ampel nach den Landtagswahlen am 14. März in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. In Rheinland-Pfalz hat die FDP schon deutlich gemacht, dass sie die bestehende Koalition mit SPD und Grünen gerne weiterführen würde. Weil ihr dortiger Spitzenmann Volker Wissing mittlerweile Generalsekretär der Bundespartei ist, liegt darin mehr als eine nur landespolitische Entscheidung. In Baden-Württemberg kommt die „grüne“ Ampel als Regierungsalternative gerade ins Spiel. Nach dem mehr schlecht als recht funktionierenden grün-schwarzen Bündnis, in dem sich die CDU mit ihrer Juniorrolle niemals wirklich abfinden konnte, drängt es Winfried Kretschmann nach neuen Partnern. Dass die FDP offiziell eher mit einer „Deutschland-Koalition“ ohne die Grünen liebäugelt, muss man als Pflichtübung abbuchen, da ein solches Bündnis, wie sie selbst weiß, mit der SPD nicht zu machen wäre. Im Südwesten könnten die Zeichen also auf „Grün-Rot-Gelb“ stehen. Auch wenn einem im Moment vielleicht noch etwas die Phantasie fehlt, sich das als Modell auch für den Bund vorzustellen, würde es die Debatte um eine mögliche Regierung „jenseits der Union“ bis zum Herbst beflügeln.

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