Editorial des Verlegers
Editorial des Verlegers
Liebe Leserinnen und Leser,
Kanzlerwahlverein, das war in der Geschichte der Bundesrepublik ein zwiespältiger Begriff für die Union. Zum einen war es eine etwas despektierliche Bezeichnung für eine Partei, die lange Zeit ohne Programm auskam und vielmehr am bloßen Machtgewinn interessiert zu sein schien. Andererseits verstanden nicht wenige in CDU und CSU die Charakterisierung als Anerkennung ideologiefreier Pragmatik, personeller Geschlossenheit und einer Konzentration auf eine handwerkliche Regierungspraxis.
Geschichtlich betrachtet trifft nichts davon auf die Grünen zu – jetzt aber schickt sich die Partei an, zum entscheidenden Faktor bei der Bestimmung eines neuen Kanzlers oder einer Kanzlerin im Herbst nächsten Jahres zu werden.
Unser politologischer Experte Frank Decker von der Universität Bonn analysiert für diesen Hauptstadtbrief am Sonntag die Aussichten der Grünen, zum sprichwörtlichen Zünglein an der Waage in einer schwarz-grünen oder rot-rot-grünen Koalition zu werden – oder gar im wahrsten Sinne selbst zum Kanzler(innen)wahlverein zu werden, mit SPD und Linkspartei als Juniorpartner.
Im zweiten Beitrag beleuchtet unsere Israel-Korrespondentin Gisela Dachs die Hintergründe des in der vergangenen Woche bekanntgewordenen „Deals“ – seit Donald Trump dem Begriff so viel von seiner Würde genommen hat, will ich ihn nur noch in Anführungsstrichen verwenden – zwischen Tel Aviv und Abu Dhabi. Auf engem Raum gelingt es Dachs, mustergültig ein multidimensionales Bild der Lage im Nahen Osten zu entwerfen, ein meisterhaftes Stück Journalismus.
Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich bis nächste Woche
Ihr Detlef Prinz