Postskriptum
Postskriptum
Die Winklevoss-Brüder hatten dereinst Mark Zuckerberg verklagt. Er habe die Idee zum Social-Media-Giganten von ihnen geklaut, sie seien die eigentlichen Erfinder. Drehbuchautor Aaron Sorkin lässt in seinem Film The Social Network den von Jesse Eisenberg meisterhaft interpretierten Zuckerberg nach einigem Desinteresse während des Hin und Hers der Schadensersatzverhandlungen schließlich den ikonischen Satz zu Cameron und Tyler sagen, die punch line schlechthin: „Wenn ihr die Erfinder von Facebook wärt, hättet ihr Facebook erfunden.“
An den Satz erinnert, was in der Hauptstadt und einigen Medien schon beinahe mit Empörung eingefordert wird. Die CDU ist in Berlin klar stärkste Partei, sie hat mehr als zehn Punkte hinzugewonnen und insgesamt 28,2 Prozent erreicht. Die FDP ist unter die Fünf-Prozent-Hürde gefallen und nicht mehr im Abgeordnetenhaus vertreten. Die Union kann als nomineller Wahlsieger mit Fug und Recht das Rote Rathaus beanspruchen – aber sie braucht nach Adam Riese und Ella Nutella für eine Mehrheit einen Koalitionspartner. In Frage kommen die SPD und die Grünen. Keine der drei Parteien hat im Wahlkampf ernsthaft ein Bündnis in einer der möglichen Konstellationen in den Raum gestellt. Die Grünen könnten sich selbstverständlich in Sondierungsgesprächen teuer verkaufen, aber ein Bündnis in Berlin – mit einer konservativeren Union und linker ausgerichteten Grünen als auf Bundesebene – erscheint doch sehr unwahrscheinlich. Die SPD würde in einer Großen Koalition das Amt der Regierenden Bürgermeisterin aufgeben müssen. Eine Partei, die antritt, sollte aber auch regieren wollen, sonst ist sie nur ein Plauderclub.
Kein Geschmacksurteil über „Berliner Verhältnisse“: Ganz gleich, was man von der Arbeit der rot-grün-roten Regierung der vergangenen eineinhalb Jahre halten mag, die drei Parteien haben zusammen noch immer eine Mehrheit. Ihr Zuspruch mag deutlich gesunken sein, aber groß genug ist er noch immer.
Die FAZ spricht von einem „demokratischen Urgesetz“, nachdem eine zweitplatzierte Partei nicht so „vermessen“ sein sollte, dem Erstplatzierten das Amt des Regierungschefs „streitig zu machen.“ So gut wie alles an diesem Satz ist falsch. Das demokratische Urgesetz lautet vielmehr, dass eine Parlamentsmehrheit Ministerpräsidenten oder Bundeskanzlerinnen wählt. Im Wortsinne vermessen ist es, Mehrheiten – weil die Interpretation von Gewinnen und Verlusten irgendwie doppelt zählen soll? – zu Minderheiten umzudeuten. Niemand wird zudem etwas streitig gemacht. Wenn Kai Wegner einen Partner findet, wird er Regierender Bürgermeister. Aber das muss er dann schon machen.
Die FAZ nennt es eine „einzige Heuchelei“, was die SPD-Granden gerade so von sich geben, da sie doch nach der Bundestagswahl 2021 so laut getrommelt hätten, der Union stünde es nicht zu, mit einer Jamaika-Koalition das Kanzleramt zu übernehmen. Dieser Vorwurf ist sogar zutreffend, es hat schon etwas von Falschmünzerei. Nur, wie wackere Parteisoldaten Ergebnisse deuten, ist, freundlich ausgedrückt, immer interessengeleitet. Das ist in einer Demokratie erlaubt, aber eben zugleich, und nicht etwa insgeheim, mittleres Gedöns, das nur bedingt ernst genommen werden muss. Haben alle Parteien ja auch in etwa gleichschief drauf.
Wenn ein Kandidat für ein demokratisches Amt eine Mehrheit für sich gewinnen kann, kann er eine Mehrheit gewinnen. Klingt nicht ganz so lässig wie bei Aaron Sorkin, bleibt aber die punch line der ganzen Sache.