Vermögen

Editorial des Verlegers

21
11
21
11

Vermögen

Editorial des Verlegers

Liebe Leserinnen und Leser,

die Worte, Bilder und Geschehnisse aus dem Bundestag in der vergangenen Woche hatten etwas Beschämendes. Die Hemmungs-, Takt- und Geistlosigkeit der Partei, die dafür verantwortlich ist, hat einmal mehr den Beweis angetreten, dass sie bei allen großen Begriffen – Freiheit und Grundrechte –, die sie sich auf die Fahnen zu schreiben versucht, an einer ernsten und der Lage angemessenen Debatte kein Interesse hat oder das dazu notwendige intellektuelle Vermögen nicht aufzubringen gewillt ist.

Besonders ärgerlich und abstoßend ist die kaum mehr nur insinuierte, sondern mit schon beinahe krudem Stolz vorgetragene Behauptung der Vertreter jener Partei, bei den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie handle es sich um etwas, das der Neuauflage eines Gesetzes vom 24. März 1933 gleichkomme.

In der vergangenen Woche hat die Historikerin vom Institut für Zeitgeschichte in München, Andrea Löw, für den Hauptstadtbrief einen so klugen wie scharfen Text über Missbrauch, Instrumentalisierung und Verhunzung historischer Begrifflichkeiten geschrieben. Leider hat er von seiner Aktualität und Dringlichkeit nichts eingebüßt. Falls Sie ihn noch nicht gelesen haben, kann ich die Lektüre nicht ausdrücklich genug empfehlen.

In dieser Ausgabe des Hauptstadtbriefs am Samstag berichtet Andreas Rinke vom an diesem Wochenende stattfindenden G20-Gipfel – der in diesem Jahr wie eine gehobene Zoom-Konferenz ablaufen wird. Rinke, Chefkorrespondent der Nachrichtenagentur Reuters, beschreibt die Ausgangslage vor der Zusammenkunft – und skizziert darüber die Umrisse einer möglichen neuen Weltordnung. Das jüngst verabschiedete Handelsabkommen Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) ist dabei nur ein Faktor, an dem der Bedeutungszuwachs Pekings auf internationaler Bühne abzulesen ist. „Dabei hatte Chinas Staatspräsident Xi Jinping schon vorher Grund für Selbstbewusstsein. Ungeachtet der Kritik am Vorgehen der kommunistischen Führung etwa in Hongkong ist sein Land viel besser und schneller aus der Corona-Pandemie gekommen als andere. Die Anteile in der Weltwirtschaft verschieben sich in der Krise weiter Richtung China.“

Im zweiten Beitrag dieses Hauptstadtbriefs würdigt die Schriftstellerin Tanja Dückers Arbeit und Bedeutung des Goethe-Instituts – im Aus- und Inland. Sie beschreibt die politisch-kulturellen Herausforderungen, „einer ‚Kontinentalverschiebung‘ Rechnung zu zollen: So sinken die Zahlen der Deutschlernenden in manchen europäischen Ländern, steigen jedoch stark in Asien und Afrika“.

Und erzählt mit einer denkwürdigen Anekdote von ihren eigenen Erfahrungen als Autorin im Auslandseinsatz für „Goethe“: „Ich konnte mit eigenen Augen sehen, wie Menschen in Indien um fünf Uhr morgens in der Schlange standen, um sich für einen Sprachkurs anzumelden.“

Dückers Glückwünschen für die neue Präsidentin Carola Lentz möchte ich mich ausdrücklich anschließen.

Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich – bis morgen

Ihr Detlef Prinz

Weitere Artikel dieser Ausgabe