Editorial des Verlegers
Editorial des Verlegers
Liebe Leserinnen und Leser,
der Hauptstadtbrief setzt ganz bewusst auf durchaus meinungsstarke Beiträge, hält sich aber von plakativ-platten Texten fern, die sichtlich nur auf Provokation und Polemik setzen. Nicht, dass es im Zeitungsmarkt, gedruckt und schon gar nicht online, daran etwa mangelte.
In diesem Sinne sind die Beiträge Christoph Butterwegges mustergültig für eine entschiedene politische Haltung, die sich zugleich aber auf profunde sozialwissenschaftliche Erkenntnisse stützt. Die Debatten, die der Kölner Professor für Politikwissenschaft unter unseren Leserinnen und Lesern hervorruft, sind nicht nur im Sinne einer seriösen Streitkultur überaus begrüßenswert.
In dieser Ausgabe richtet Butterwegge seinen Fokus auf das Thema Kinderarmut – oder genauer: Kinderarmut hier und das Ausmaß an „Kinderreichtum“ dort, womit nicht die höhere Zahl von Kindern in einer Familie gemeint ist, sondern die kaum mehr vorstellbaren Summen, die sehr reiche Eltern ihren Kindern schon in jungem Alter übertragen. In der kommenden Woche erscheint bei Campus Butterwegges Buch „Kinder der Ungleichheit“, das er zusammen mit seiner Frau Carolin Butterwegge geschrieben hat – Bewerberinnen und Bewerbern für einen Sitz im Deutschen Bundestag sei es genauso ans Herz gelegt wie allen Wählerinnen und Wählern. Soll keiner am 27. September sagen, dass es diesem Wahlkampf an wichtigen Debatten ermangelt hätte.
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Welche Folge eine manipulierte Wahl nach sich ziehen kann, beschreibt im zweiten Beitrag dieses Hauptstadtbriefs Gwendolyn Sasse am Beispiel Belarus. Wobei „Beispiel“ hier beinahe zu verharmlosend klingt. Das erschreckend radikale Repressionsregime Lukaschenkas mitsamt seiner Verbindung zu Wladimir Putin ist ein europäischer Ernstfall für Demokratie und Menschenrechte, oder leider genauer: angesichts deren Abwesenheit und Unterdrückung.
Sasse, Direktorin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) und Einstein-Professorin für Vergleichende Demokratie- und Autoritarismusforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin, analysiert nüchtern und hellsichtig – was wie Stärke erscheint, offenbart tatsächlich auch Schwäche und Angst.
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Günter Bannas fragt in seiner Kolumne Aus dem Bannaskreis, ob der Vizekanzler (eine Frau gab es in diesem „Amt“ bisher noch nicht) nicht mehr Macht und Einfluss auf die Geschicke einer Regierungskoalition hat, als gemeinhin wahrgenommen. Das historische Kabinettstück ist wie immer bei Bannas nicht ohne Relevanz für die Gegenwart: Was, wenn nach der Bundestagswahl drei Parteien (im Falle der Union mit der CSU streng genommen sogar vier) und nicht wie bisher nur ein Juniorpartner Anspruch auf den Posten erheben?
Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich bis zur nächsten Woche
Ihr Detlef Prinz