Vor der Zeitenwende

Was bleibt von der Union, wenn sie in die Opposition muss?

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PA/PRESSEBILDAGENTUR ULMER
Sagen Sie jetzt nichts: Armin Laschet, kurz vor der Entscheidung
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Sagen Sie jetzt nichts: Armin Laschet, kurz vor der Entscheidung

Vor der Zeitenwende

Was bleibt von der Union, wenn sie in die Opposition muss?

Es sind nur noch wenige Meter bis zur Bundestagswahl – und klar ist jetzt schon: Ein Triumphzug wird es für die Union am Sonntag nicht werden, man rettet sich eher mit Ach und Krach ins Ziel und hofft noch, vor die SPD zu kommen. Das ursprüngliche Ziel 30 plus x Prozent ist bereits abgeschrieben. „Man muss jetzt realistisch sein und ein bisschen kleinere Brötchen backen“, sagte CSU-Parteichef Markus Söder jüngst im Deutschlandfunk.

Die Union setzt im Moment auf die Stammwähler und -wählerinnen, also quasi die letzte Reserve. Vor allem sie dürften sich von der Erzählung des Linksrutsches mit einem Kanzler Olaf Scholz angesprochen fühlen. Dass es für die Union so gekommen ist, ist weitgehend hausgemacht und liegt auch, aber nicht nur, am Kandidaten: Armin Laschet.

Münchner Freiheiten

Die Union hat sich Zeit gelassen mit dem Eintritt in den Wahlkampf. Den Auftakt machten erst einmal zehn Tage erbitterter Kampf um die Kanzlerkandidatur. Was danach fehlte: ein erkennbares Konzept – anfangs profitierten CDU und CSU von den Fehlern der anderen und nicht unbedingt von eigener Leistung – und Geschlossenheit. CDU und CSU sprachen öffentlich zwar davon, wie nah man beieinander sei, gleichzeitig wurde Söder nicht müde zu betonen, dass er ein Angebot gemacht habe, das nun mal abgelehnt worden sei. In München wurde man auch nicht müde, vor einem Schlafwagenwahlkampf zu warnen. Bei den Christsozialen hatte man schon recht bald erkannt, dass das kurzzeitige Hoch von Ende Juni, Anfang Juli nicht von Dauer sein könnte (was es dann auch nicht war), die Sticheleien sollten einerseits Bewegung in die CDU bringen – und andererseits wurde offenbar auch schon mal vorgebaut, um möglichst wenig Verantwortung für ein schlechtes Wahlergebnis übernehmen zu müssen.

Dass diese Sticheleien überhaupt so große Wirkkraft bekamen, dürfte allerdings auch an Laschets Schwäche gelegen haben. Der Kanzlerkandidat, so hatte man das Gefühl, stolperte oft im Wahlkampf. Mal ist es ein ungeschickter Lacher, mal kann er auf die Frage nach drei Themen, die er nach der Wahl voranbringen will, nur zwei aufzählen. Sein sogenanntes Zukunftsteam stellt Laschet – der immer für seine Fähigkeit, andere einzubinden, gelobt wurde – erst Anfang September vor, zu spät, sagen einige in der Partei hinter vorgehaltener Hand.

Kanzlerwahlverein reloaded

Zwei Wochen vor der Bundestagswahl versuchten es die C-Parteien dann doch nochmal mit Geschlossenheit und Hoffnung: Nach dem CSU-Parteitag, bei dem die Christsozialen Laschet feierten, als hätten sie sich nie einen anderen Kanzlerkandidaten gewünscht, und dem zweiten TV-Triell ging es dann tatsächlich in den Umfragen nicht mehr nach unten, sondern sogar ein bisschen nach oben. Aber das Ergebnis von CDU und CSU dürfte heute dennoch mit herben Verlusten einhergehen.
Das hat aber nicht nur mit dem Wahlkampf an sich zu tun. Es liegt auch daran, dass sich die Unionsparteien in einer Umbruchphase befinden. Vor allem bei den Christdemokraten gibt es viele offene Fragen, die es für die Nach-Merkel-Ära zu beantworten gilt und die ausschlaggebend dafür sein dürften, ob die CDU Volkspartei bleiben kann. Die CSU hingegen ist mit Söder schon einen Schritt weiter.

Dass es diese Fragen gibt, zeigte sich in den vergangenen Jahren immer wieder: So drückte sich im Kampf um den Parteivorsitz aus, dass es durchaus unterschiedliche Vorstellungen über die zukünftige Ausrichtung der Partei gibt. Vor allem zeigte sich das an der Person Friedrich Merz, der zwar nie das Rennen machte, aber immer viele Anhänger hatte – und hat. Wo die einen wichtigen Fortschritt sehen, sehen die anderen den Untergang des Konservatismus. „Stabilität und Erneuerung“ steht über dem Wahlprogramm der Union – wie viel es von dem einen und dem anderen braucht, das muss sie nun auch für sich selbst beantworten. Ebenso ist die Frage, wie die Abgrenzung nach rechts aussieht, in der CDU noch nicht für alle abschließend geklärt. Kandidaten wie Hans-Georg Maaßen schlagen immer wieder Löcher in die von Laschet symbolisch aufgestellte Brandmauer. Es gibt also viele Risse in der CDU, manche mehr, manche weniger tief.

Streit ums Erbe

Dass es diese Risse gibt, wurde zwar immer wieder sichtbar, der Handlungsdruck wurde aber dank des Erfolgs der Kanzlerin offenbar nicht als so groß empfunden. Man klebte immer wieder Heftpflaster drauf, hoffte schon mit Annegret Kramp-Karrenbauer, später mit Laschet, dass man wieder zusammenwächst. Nun könnte das zum Problem werden – vor allem, wenn die Union nicht stärkste Kraft wird. Zunächst würde es dann gelten, sich darüber einig zu werden, ob man auch als Zweitplatzierte versucht, nach der Kanzlerschaft zu greifen. Ausgeschlossen ist das ja nicht, auch wenn die CSU im Moment sagt, dafür fehle ihr die Fantasie. Letztere Aussagen dürften allerdings vor allem strategischer Natur sein, um den Wählern und Wählerinnen zu signalisieren, man will Erst- und Zweitstimme.

Gelänge es der Union tatsächlich, trotz Verlusten den Kanzler zu stellen, wären zumindest die Fliehkräfte in der CDU wohl nicht ganz so groß, als wenn die Partei in der Opposition landete. Denn dann besteht die Gefahr, dass die CDU implodiert. Es wird dann darum gehen, wer Einfluss behält und einen der deutlich weniger werdenden Posten bekommt und welche politischen Karrieren de facto beendet sein werden – da geht es nicht nur um die Zukunft des Parteiurgesteins Wolfgang Schäuble, der maßgeblich die Kanzlerkandidatur Laschets vorangetrieben hat – von der politischen Richtung der Union ganz zu schweigen. Kurz: Es wird abgerechnet werden. Ergebnis ungewiss.

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