Vorher gesagt

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

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Vorher gesagt

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

Mit negativen Vorhersagen kann man nichts falsch machen. Womöglich werden sie deshalb besonders gerne ausgesprochen. Von Christian Drosten zum Beispiel, dem omnipräsenten Spitzen-Virologen: „Weltweit geht es tatsächlich jetzt erst richtig los“, sagte er Mitte August, um jedes bisschen Hoffnung auf Entspannung im Keim zu ersticken. Die Weltgesundheitsorganisation WHO rechnet im Herbst mit wieder mehr Todesfällen in Europa. Und der nimmer müde Karl Lauterbach warnte zuletzt, Präsenzunterricht könnte zum „Superspreadingevent“ werden. Wie es indes genau kommt, weiß keiner von den dreien.

Ehrliche Menschen halten sich mit Prognosen daher zurück, die die es nicht lassen können, bleiben bewusst vage. Was Drosten mit seiner Prognose genau meinte, sagte er nicht: Keine Zahl, kein Szenario, keine Länder, lieber gleich die ganze Welt. Klar, derzeit gehen die Zahlen hoch. Im Moment könnte man ihm Recht geben. Doch das „Jetzt“ hatte er vor zwei Monaten ausgesprochen. Richtig lag er also nicht. Und Lauterbachs „Könnte“ hilft auch nicht wirklich weiter.

Was also nützten uns solche Vorhersagen?

Gar nichts. Nicht umsonst haben sich Menschen über Prognosen seit jeher mokiert. Winston Churchill etwa meinte, ein Experte sei ein Mann, der hinterher genau sagen könne, warum seine Prognose nicht gestimmt habe. Bekannter noch ist ein Zitat Mark Twains: „Prognosen sind eine schwierige Sache. Vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.“

Ehrlicher ist da schon ein gewisser Professor Dirk Brockmann von der HU in Berlin: Wie sich eine Epidemie in der Bevölkerung ausbreite, sei mathematisch leicht zu beschreiben. Doch auch Informationen breiteten sich aus, Menschen änderten daraufhin ihr Verhalten und das wiederum den Verlauf der Ausbreitung. Genau prognostizieren kann man eigentlich gar nichts.

Vielleicht wählen deshalb jene, die sich gleichwohl so gern zitieren lassen, zum Inhalt ihrer Vorhersagen stets ein Negativszenario. Das hat nämlich Vorteile: Bleibt das befürchtete Szenario aus, wird sich kaum jemand an ihre Warnungen erinnern. Tritt indes ein, was vorhergesagt wurde, bekommen sie Recht. Weniger also kann man nicht falsch machen. Ganz wie Bill Gates, der schon 2015 vor einer Pandemie gewarnt hat. Das allerdings derart vage, dass man mit dieser Warnung nicht viel anfangen konnte. Er hat weder gesagt, wann sie kommt, noch, was zu erwarten ist, geschweige denn, wie sich die Welt hätte vorbereiten können. Jetzt aber hat er Recht und gilt seither als Prognose-Guru. Corona hatte er natürlich nicht vorhergesehen. Hätte sich das Virus nicht zu einer Pandemie entwickelt, hätte sich wohl kaum jemand seines Ausspruchs je erinnert.

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