Hasskriminalität im Netz gehört seit einigen Jahren so selbstverständlich zu den sozialen Netzwerken wie der Like-Button.
Hasskriminalität kommt als Begriff im Strafrecht in Deutschland zwar nicht vor. Sie bringt aber als Oberbegriff zum Ausdruck, dass mit Beleidigungen, Hetze gegen andere Menschen wegen deren politischer Auffassung, Herkunft oder Abstammung, Rüpeleien gegen Politikerinnen und Politiker und wüsten Verleumdungen bis hin zu Morddrohungen Grundrechte verletzt werden. Das sind das Recht auf Achtung der freien Entfaltung der Persönlichkeit, abgeleitet aus dem Schutz der Menschenwürde, und der Schutz vor Diskriminierung und ungerechtfertigter Ungleichbehandlung.
Die Verletzung von Strafgesetzen wie die Volksverhetzung, das Leugnen des Holocaust oder Beleidigungen im Netz muss aber auch durchgesetzt werden. Und genau das schafft Probleme – immer noch. Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) wurden den Betreibern sozialer Netzwerke wie Facebook und YouTube Pflichten zum Umgang mit offensichtlich rechtswidrigen Äußerungen auferlegt, mit teilweise umstrittenen Regelungen, die den Netzwerkbetreibern eine starke Rolle bei der Entscheidung über die Meinungsfreiheit einräumen.
Am 1. Februar soll das derzeitige Regelwerk nun mehr Biss bekommen.
YouTube, Facebook und andere soziale Netzwerke müssen dem Bundeskriminalamt (BKA) dann bei konkreten Anhaltspunkten strafrechtlich relevante Sachverhalte zur Hasskriminalität anzeigen, was eine bundesweite Strafverfolgung sichern soll. Eine Anzeigepflicht – das gab es im deutschen Recht so noch nie.
Und deshalb ist jetzt Sand im Getriebe. Facebook und Google haben 2021 gegen diese Bestimmungen im Netzwerkdurchsetzungsgesetz mit einer einstweiligen Anordnung geklagt. Sie monieren unter anderem Verstöße gegen das Datenschutzrecht, weil massenhaft Daten von Privatpersonen an das BKA weitergeleitet werden müssen. Diesen Konzernen, die sonst bei ihrem Geschäftsgebaren wenig Wert auf den Schutz der personenbezogenen Daten ihrer Nutzerinnen und Nutzer legen und möglichst viel Gewinn aus deren weitreichender Verwendung ziehen, könnte jetzt der Datenschutz helfen, denn nicht wenige Experten sehen die Ausgestaltung der Weiterleitungspflicht kritisch.
In dem Gesetzgebungsverfahren gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität ist der Wurm drin. 2020 musste das federführende Bundesjustizministerium in Eile nachbessern, weil der Bundespräsident wegen massiver verfassungsrechtlicher Beanstandungen gegen einige Regelungen die Unterschrift verweigerte. Das Ministerium hatte die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht beachtet. Ein außergewöhnlicher, blamabler Vorgang.
Auch wenn die einstweilige Anordnung der beiden sozialen Netzwerke das Inkrafttreten der Weiterleitungspflicht nicht verhindert, wird nach Mitteilung des Bundesjustiz- und Verbraucherschutzministeriums die Regelung erst einmal nicht angewandt, bis das Verwaltungsgericht Köln entschieden hat. Wann, ist bisher nicht bekannt. Die Beamten im BKA, die mit einer Fülle von weitergeleiteten Verfahren rechnen, können deshalb derzeit nichts gegen Hasskriminalität im Netz tun.
Und es gibt weitere Baustellen. Der Messengerdienst Telegram hat sich zu einem Tummelplatz auch von Radikalen entwickelt. Welche Regelungen für Telegram gelten, ist umstritten, eine Klarstellung dringend geboten. Denn die Gefahr, dass verbale Gewaltfantasien zu konkreten Übergriffen werden, ist nicht zu unterschätzen.
Rechtsextremismus und Hasskriminalität im Netz stellen auch eine Gefährdung unserer Demokratie dar. Der Staat muss deshalb handlungsfähig sein, aber genauso sind wir alle gefordert, uns für die Grundrechte und eine offene Gesellschaft in unserem Land einzusetzen.