Wenn Wahlsiege zur demokratischen Zerreißprobe werden

Wenn Wahlsiege zur demokratischen Zerreißprobe werden

Redaktion

Deutschland, Politik

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Wie politische Doppelmoral den Umgang mit der AfD erschwert – und warum klare Haltung nötig ist

Vor Wahlen mehren sich Aussagen, die demokratisch bedenklich sind. Besonders dann, wenn das Ergebnis unbequem ausfallen könnte. Der Fall Berlin zeigt, wie schnell das Vertrauen in demokratische Spielregeln untergraben wird – selbst durch führende Vertreter demokratischer Parteien.

Ein Beispiel:

Nach der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus warf Markus Söder dem möglichen Bündnis aus SPD, Grünen und Linken „grobe Missachtung der Demokratie“ vor, weil es ohne Wahlsieger CDU regieren könnte. CDU-Politiker sprachen sogar von „Wahl-Klau“. Dabei sieht das deutsche Wahlsystem keinen automatischen Regierungsauftrag für die stärkste Partei vor.

Was passiert, wenn die AfD stärkste Kraft wird?

2024 stehen Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg an. In Umfragen liegt die AfD dort teilweise vorn. Sollte sie erstmals als stärkste Kraft aus einer Wahl hervorgehen, stünden Aussagen wie die von Söder plötzlich im Raum – aber in einem völlig anderen Licht.

Mögliche Folgen:

  • Die AfD könnte Wahlsieger sein, aber keine Koalition bilden
  • Die anderen Parteien würden eine Regierung ohne AfD bilden
  • Die AfD würde dies als „doppelte Standards“ ausschlachten
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Die Partei könnte auf Zitate wie jene von Olaf Scholz („Abgewählte sollten nicht regieren“) verweisen – und sich selbst als Opfer politischer Ausgrenzung darstellen.

Warum ein Wahlsieg nicht automatisch Regierungsanspruch bedeutet

Demokratie heißt: Wer die Mehrheit hat, kann regieren. Aber nicht jede Mehrheit ist automatisch legitim im Sinne der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Insbesondere dann, wenn eine Partei die repräsentative Demokratie selbst infrage stellt.

In Thüringen stuft der Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextrem ein. Auch in Sachsen gilt der Landesverband als besonders radikal. Die AfD will dennoch regieren – aus strategischem Kalkül.

Ziele hinter dem Regierungsanspruch der AfD:

  • Mobilisierung der Basis durch „Regierungsfähigkeit“
  • Druck auf die CDU erhöhen
  • Abkehr vom Image der ewigen Fundamentalopposition

Doch: Anspruch und Realität klaffen weit auseinander. Die AfD ist weder koalitionsfähig noch verfassungsfest integriert.

Die CDU und die rote Linie zur AfD

Führende CDU-Politiker wie Michael Kretschmer (Sachsen) und Mario Voigt (Thüringen) schließen Kooperationen mit der AfD klar aus. Doch die entscheidende Frage ist nicht, ob man koaliert – sondern wo Zusammenarbeit beginnt.

Kritische Graubereiche:

  • Abstimmungen mit AfD-Stimmen ohne offizielle Absprache
  • Kommunale Zusammenarbeit bei Anträgen oder Projekten
  • Tolerierung eigener Initiativen durch AfD-Zustimmung

Gerade in Thüringen, wo die rot-rot-grüne Regierung auf eine Minderheit angewiesen ist, wird die CDU zur Schlüsselkraft. Ihre Entscheidungen können AfD-Vorschläge – bewusst oder ungewollt – legitimieren.

Warum jede Zusammenarbeit ein strategischer Fehler ist

Die AfD braucht vor allem eins: Nachweise politischer Wirksamkeit. Jede Form parlamentarischer Integration hilft ihr, den Vorwurf der Isolierung zu entkräften und neue Wähler zu gewinnen.

Politische Normalisierung durch:

  • Mehrheiten, die nur mit AfD-Stimmen zustande kommen
  • Symbolische Themen wie „Gendern“ als gemeinsame Agenda
  • Sichtbare Wirkung parlamentarischer Initiativen
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Solche Erfolge stärken die AfD – nicht durch Inhalt, sondern durch die Wirkung von Einfluss.

Ein Wahlsieg – und dann? Die Herausforderung der demokratischen Standhaftigkeit

Sollte die AfD in einem ostdeutschen Bundesland Wahlsieger werden, stellt sich eine neue Frage: Wie geht eine demokratische Gesellschaft damit um?

Was jetzt wichtig wird:

  • Klare Trennung zwischen inhaltlicher Auseinandersetzung und Kooperation
  • Festhalten an der Brandmauer ohne Ausnahmen
  • Offene Kommunikation gegenüber den Bürgern, warum keine Zusammenarbeit möglich ist

Nicht Abwehrmechanismen, sondern Haltung und Transparenz sind das Gebot der Stunde.

Der mögliche Gamechanger: Eine neue Partei von Sahra Wagenknecht?

Die politische Landschaft könnte 2024 zusätzlich durcheinandergeraten. Sahra Wagenknecht plant eine Parteigründung – und könnte zur Europawahl und möglicherweise auch bei den Landtagswahlen antreten.

Mögliche Auswirkungen:

  • Stimmenverlust für AfD und Linke
  • Schwächung radikaler Ränder
  • Neue Optionen für Regierungsbildungen ohne AfD

Gerade für die CDU könnte eine „Liste Wagenknecht“ zum Zünglein an der Waage werden – und helfen, klare Mehrheiten ohne Zusammenarbeit mit der AfD zu sichern.

Fazit: Demokratie braucht Prinzipien, keine bequemen Ausreden

Wenn die AfD Wahlen gewinnt, darf das kein Anlass zur Verunsicherung, sondern zur Standhaftigkeit sein. Nicht jede gewählte Partei ist auch regierungsfähig.

Demokratische Parteien sollten sich deshalb auf drei Grundsätze einigen:

  1. Keine Kooperation mit Kräften außerhalb des Verfassungsbogens
  2. Keine symbolischen Abstimmungen mit Rechten – auch nicht unbeabsichtigt
  3. Ein ehrlicher Diskurs über die Grenzen der Demokratie

Denn nur wer Haltung zeigt, schützt die Demokratie. Nicht mit Verboten – sondern mit Überzeugung.