Was wollt ihr mit dem Dolche, sprecht!

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

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Was wollt ihr mit dem Dolche, sprecht!

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

In Zeiten des Krieges drängen sich Gedanken auf, die sich aus zivilisatorischen Gründen schlicht verbieten. Ein solcher Gedanke ist der Tyrannenmord – ein ethisch ebenso fragwürdiger wie naiver Wunsch, der sich im aktuellen Fall so formulieren ließe: Können sich die Russen ihres kriegstreibenden Staatschefs nicht entledigen und zum Frieden zurückkehren? So werden viele schon gedacht, im Privaten diesen Gedanken sicher auch geäußert haben. Unlängst tat genau dies der US-Senator Lindsey Graham, allerdings öffentlich: „Gibt es keinen Brutus in Russland?“ Er erntete einen Shitstorm. Und ja: Wie die Russen mit ihrem Staatschef und seinem Machtmissbrauch umgehen, ist kein amerikanisches Problem.

Tyrannenmord ist in der Tat die Ultima Ratio, deren Rechtmäßigkeit schon in der Antike heftige Debatten auslöste. 514 v. Chr. verübten Harmodios und Aristogeiton einen Anschlag auf die Tyrannenbrüder Hippias und Hipparchos. Sie ermordeten Letzteren, Hippias indes entging ihnen und wurde alsbald von spartanischen Truppen verjagt. Wenige Jahre später gelangte die Demokratie in Athen zur Blüte. Der berühmteste, gleichwohl fragwürdige Tyrannenmord ereignete sich am 15. März 44 v. Chr. an Julius Caesar – allerdings in Uneinigkeit darüber, ob der Feldherr, der sich ein Jahr vor seiner Ermordung zum Diktator hatte ausrufen lassen, überhaupt Tyrann gewesen sei.

Unvergessen der Sturz des rumänischen Diktators Nicolae Ceaușescu im Dezember 1989 durch ein erbostes Volk, das gegen die grausige Unterdrückung und unerträgliche Verelendung aufbegehrte. Damals konnte es den Rumänen gar nicht schnell genug gehen. Drei Tage nach seiner Verhaftung wurden er und seine Frau hingerichtet.

Heftig debattiert wurde 1999 in der westlichen Welt nach sechs Wochen Kosovo-Krieg die Frage nach der Berechtigung der Nato-Bomben auf Slobodan Milošević und damit des extern induzierten Tyrannenmords – in einem Betrag der ARD-Sendung Panorama. Es gab genügend Stimmen dafür.

Hinter den Debatten steht die seit mehr als zwei Jahrtausenden ungelöste Frage: Ist die Ermordung eines Menschen sozialethisch zu rechtfertigen, wenn das Unheil, das er anrichtet, nur groß genug ist? Auf Basis der deutschen Verfassung ließe sich ein Tyrannenmord durch das Widerstandsrechts einer unterdrückten Bevölkerung legitimieren. Doch auch das ist umstritten.

Und trotzdem sollte Politik ehrlich bleiben: Wenn man die sich bereits jetzt abzeichnenden Wirkungen der in der neueren Geschichte wohl einzigartig harten Sanktionen als Reaktion auf den Aggressionskrieg Putins in die Zukunft extrapoliert, muss man den Tyrannenmord wohl mitdenken. Das vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnittene Land könnte in wenigen Wochen bankrott sein, die Bevölkerung dürfte ihren Wohlstand, die Oligarchen einen Großteil ihres Reichtums und ihre Bewegungsfreiheit einbüßen. Arbeitslosigkeit und Verarmung könnten folgen. Ob die Russen das ohne Widerstand hinnehmen werden?

Weil Wladimir Putin ohne Gesichtsverlust aus diesem Krieg nicht mehr aussteigen kann, ist klar, dass die Sanktionen, so wie sie angelegt sind, auf seinen Sturz abzielen. Vielleicht kommt es dazu. Wer weiß, was dann mit ihm geschieht.

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