Gelingt der Bundesregierung mit dem Konjunkturpaket der Wendepunkt in der Energie- und Klimapolitik?
Gelingt der Bundesregierung mit dem Konjunkturpaket der Wendepunkt in der Energie- und Klimapolitik?
Dies könnte der Wendepunkt in der deutschen Energiepolitik werden.
Unter dem sperrigen Titel einer nationalen Wasserstoffstrategie, Teil des von der Bundesregierung gerade beschlossenen Konjunkturpakets, wird eine neue Ära der Energie- und Klimapolitik eingeschlagen. Das Vorhaben, konsequent vorangetrieben, wird nicht nur langfristig das Erreichen der Klimaziele bewirken. Die entstehende „Wasserstoffwirtschaft“ eröffnet darüber hinaus der deutschen Industrie Zukunftschancen in vielen Geschäftsfeldern, die auf ihren traditionellen Stärken aufbauen.
Die hohe Bedeutung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen für eine zukünftig klimaneutrale Wirtschaft ist spätestens seit dem Jahr 2019 weltweit erkannt. Die Klimaneutralität, die mit dem European Green Deal für das Jahr 2050 angestrebt wird, kann nur erreicht werden, wenn alle Sektoren entschlossen defossilisiert werden. Nicht überall kann dies über die direkte Nutzung von regenerativ erzeugtem Strom geschehen, wie beispielsweise bei batteriebetriebenen Fahrzeugen. Teile des Schwerlastverkehrs und der Luftfahrt, weite Teile der chemischen Industrie und auch die Langzeitspeicherung von Strom können nach heutigem Kenntnisstand am besten über Wasserstoff und darauf basierende synthetische Energieträger klimaneutral gestellt werden. Wir werden also eine Infrastruktur zur Nutzbarmachung und zum Transport von Wasserstoff benötigen. Ist diese Infrastruktur erst einmal verfügbar, so ergeben sich auch weitere Anwendungsfelder für Wasserstoff und synthetische Energieträger, zum Beispiel in der Mobilität und zur Wärmeerzeugung.
Bemerkenswert ist: Die nationale Wasserstoffstrategie hat einen umfassenden Blick auf die Wasserstoffwirtschaft. Es geht um die Entwicklung ganzer Wertschöpfungsketten, von der Erzeugung über die Logistik bis hin zur Anwendung.
Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe können insbesondere dort attraktiv sein, wo heute Dieselmotoren zum Einsatz kommen, zum Beispiel Antriebe für Schiffe, Züge, Lastwagen, Busse, Bau- und Forstmaschinen, landwirtschaftliche Maschinen oder Langstrecken-PKW. Weitere neue Anwendungsfelder eröffnen sich in der Industrie und im Wärmesektor.
Die benötigten Mengen an Wasserstoff werden perspektivisch nicht allein in Deutschland erzeugt werden können. Heute importieren wir etwa 72 Prozent unserer Primärenergie. Wasserstoff und synthetische Energieträger ermöglichen in Zukunft den Import von erneuerbarer Energie auf dem Seeweg aus Regionen, die nicht im Einzugsbereich des Stromnetzes sind. Dabei wird es zum Teil möglich sein, die heutigen Transportinfrastrukturen für fossile Energieträger wie Erdgas oder Erdöl mit leichten Anpassungen zu nutzen. Modellrechnungen legen nahe, dass Wasserstoff aus allen Regionen der Welt importiert werden kann, in denen die Stromgestehungskosten sehr gering sind. Dadurch ergeben sich Chancen, neue Energiepartnerschaften zu schließen, nicht nur in Europa.
Ein weiterer Vorteil: mit größeren Mengen sinken die Kosten. Ein wichtiger Schritt, um die Wirtschaftlichkeit der inländischen Wasserstofferzeugung zu verbessern, ist aber auch die Anpassung der energiepolitischen Rahmenbedingungen. Dort ist der geplante Wegfall der EEG-Umlage (Erneuerbare-Energien-Gesetz) bei der Produktion grünen Wasserstoffs ein erster wichtiger Schritt. Anzustreben wäre eine weitergehende Energiepreisreform, die verzerrende Abgaben und Umlagen so weit wie möglich abschafft und die entfallenden Einnahmen aus den perspektivisch steigenden CO2-Preisen refinanziert. Je mehr über Angebot und Nachfrage und je weniger über spezifische und kleinteilige Fördermechanismen gesteuert wird, desto einfacher wird es sein, die Erwartungen aller Marktteilnehmer in Einklang zu bringen und privatwirtschaftliche Investitionen in großem Umfang auszulösen.
Da sich die sozialen Kosten von Treibhausgasemissionen auf absehbare Zeit noch nicht in den Emissionspreisen widerspiegeln werden, sind auch Quoten, etwa für grünen Stahl oder für die Beimischung im Erdgasnetz sowie bei Kraftstoffen, geeignet, die Nachfrage nach grünem Wasserstoff zu erhöhen. Dazu muss aber auch schlichtweg in die entsprechende Infrastruktur investiert werden, um überhaupt die Voraussetzung für die Nutzung von Wasserstoff und synthetischen Energieträgern zu schaffen. Diese müssen teils öffentlich getätigt werden, können aber zum großen Teil auch durch Zuschüsse ausgelöst oder einfach, klug kontrolliert, von privaten Investoren getragen werden.
Entscheidend für den Erfolg ist ein pragmatisch aufeinander abgestimmtes Vorgehen des Bundes und der Unternehmen. Tatsächlich dürfte sich in diesem nicht einfachen, aber möglichen und chancenreichen Zusammenspiel die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie auf dem Weltmarkt entscheiden.