Wertschätzung

Kolumne | Direktnachricht

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DPA/APA/PICTUREDESK.COM
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Wertschätzung

Kolumne | Direktnachricht

Vier Bewohner_innen einer Einrichtung für behinderte Menschen sind brutal getötet worden, eine weitere Person wurde schwer verletzt. Manche von ihnen lebten schon viele Jahre im Oberlinhaus in Potsdam-Babelsberg, andere bereits seit ihrer Kindheit. Sie alle wurden in ihrem Zuhause angegriffen. Als dringend tatverdächtig gilt eine Pflegemitarbeiterin des Hauses, die bereits festgenommen wurde.

Kaum war diese schreckliche Nachricht in der Welt, verbreitete sich auch schon das Narrativ vom „schlimmen Einzelfall“, die Frau wäre eben „überfordert gewesen“, sie hätte ihre Opfer vielleicht „von unheilbaren Leiden erlösen“ wollen. Dort tötete Ableismus also nicht nur, er setzt sich auch noch in der Berichterstattung fort.

Menschen mit Behinderung als „Last“ zu stigmatisieren, von der sich ihr Umfeld lediglich befreien will, und das Leben behinderter Menschen als ohnehin nicht lebenswert wegzuwischen: Das hat seine ideologischen Wurzeln in der NS-Zeit. Damals wurden in Europa Schätzungen zufolge bis zu 300 000 behinderte und kranke Menschen im Rahmen der „Euthanasie“-Aktionen umgebracht. Sie galten „als nicht rentabel oder nützlich für die Gesellschaft“.

Die ableistische Gewalt in Behinderteneinrichtungen wie in Potsdam muss als strukturell benannt werden, weil sie eben kein Einzelfall ist. Erst Anfang Januar wurde bekannt, dass in Bad Oeynhausen Bewohner_innen schwer misshandelt wurden. Gegen 145 Ärzt_innen, Betreuer_innen und Pflegekräfte wird ermittelt. Gerade Deutschland ist durch eine gewaltvolle und tödliche Geschichte für Menschen mit Behinderung geprägt. Bis heute gibt es keine wirkliche Aufarbeitung dazu und dementsprechend kein echtes Bewusstsein dafür. Die anhaltende Exklusion behinderter Menschen aus der Gesellschaft tut ihr Übriges dazu, dass sich daran kaum etwas ändert und Nichtbehinderte weiterhin wegschauen können.

Dabei hätte die Pandemie das Allgemeinwissen darum, was Ableismus ist, in welchen Formen er sich zeigt und wie er uns am Ende alle betrifft, längst schärfen müssen. Hochvulnerable Gruppen werden beim Impfen und der Versorgung schlicht vergessen, in den Krankenhäusern droht Triage, und überhaupt sollen alle einfach weiter so arbeiten, als gäbe es keine (zusätzliche) psychische und körperliche Belastung? Das entspricht keiner Gesellschaft, die das Leben tatsächlich wertschätzt.

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