Wumms verpufft

Person, Partei und Programm ohne Power: Die große Malaise der SPD

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PICTURE ALLIANCE/DPA | DOROTHÉE BARTH
Ausweichend: Olaf Scholz
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PICTURE ALLIANCE/DPA | DOROTHÉE BARTH
Ausweichend: Olaf Scholz

Wumms verpufft

Person, Partei und Programm ohne Power: Die große Malaise der SPD

Es ist schier zum Verzweifeln: Was die SPD mit Blick auf die kommende Bundestagswahl auch versucht, es scheint alles vergebens. Obgleich sie durchaus starke sozialdemokratische Akzente in der Großen Koalition setzt, profitierte die Partei nie von den guten Werten für die „Corona-Performance“ der Regierung. Krisengewinnler ist allein die Union. Dagegen scheinen die 15 Prozent der SPD wie festbetoniert.

Daran konnte auch die Nominierung von Olaf Scholz nichts ändern, im Gegenteil: Seine Kanzlerkandidatur verpuffte ohne jede Wirkung. Und zwar aus einem entscheidenden Grund: Der SPD des Jahres 2021 fehlt die für jeden Wahlkampf entscheidende „Trinität“ – die Übereinstimmung von Person, Partei und Programm. Von Überzeugungskraft dieser drei Faktoren kann keine Rede sein.

Olaf Scholz rangiert in den Umfragen nach dem beliebtesten Politiker zwar stets weit oben. Das aber schlägt sich keineswegs in Stimmen für die SPD nieder. Mit seinem „Wumms“-Paket (O-Ton Scholz) – dem von ihm vorgestellten 130-Milliarden-Konjunkturprogramm – wird der Vize-Kanzler zwar als wichtiger Mann der GroKo wahrgenommen, nicht aber als der maßgebliche Repräsentant seiner Partei. Schließlich ist Scholz in der Auseinandersetzung um den Parteivorsitz krachend gescheitert. Und so sehr sich die Partei auch bemüht: Sie erscheint bis heute nicht harmonisch passend zum Kandidaten Scholz.

Diese Dissonanz zwischen Person und Partei wird noch durch die fehlende Übereinstimmung von Kandidat und Programm übertroffen. Denn seit dem Wahlsieg von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans betreibt die Partei gemeinsam mit dem Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich einen klaren Linkskurs – sei es bei der Inneren Sicherheit durch Eskens pauschal daherkommende Polizeikritik oder in der Verteidigungspolitik mit der Verweigerung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr. Damit mag man auf eine eher linke Wählerschaft und eine rot-rot-grüne Koalition schielen, zum konservativen Kandidaten Scholz passt auch das nicht. Und wie ausgerechnet der hanseatische Technokrat diese linken Positionen glaubhaft oder gar begeisternd verkörpern soll, verlangt noch immer sehr viel Phantasie.

Diese Zweifel hat auch der digitale Wahlkampfauftakt am vergangenen Sonntag eher verstärkt als ausgeräumt. Scholz bekräftigte dort seinen Regierungsanspruch und präsentierte seine vier „Zukunftsmissionen“: Klimaneutralität bis 2050, moderne Mobilität, digitale Souveränität (Deutschland als Gigabit-Gesellschaft) und Weltspitze in der Gesundheitswirtschaft (Deutschland als Apotheke der Welt). Das Problem dabei: Wie sehr sich die SPD auch grün-fortschrittlich präsentiert, wird sie damit doch kaum einen Blumentopf gewinnen. Ökologie ist der Markenkern der Grünen. Die SPD dagegen, und das ist ihr vielleicht größtes Problem, verfügt heute über kein solches Alleinstellungmerkmal mehr. Denn das Soziale wird ihr längst nicht nur von der Linkspartei, sondern auch von den Grünen streitig gemacht, von der Merkel-Union ganz zu schweigen.

Was die SPD dagegen immer ausgezeichnet hat, gerade im Gegensatz zur Linkspartei, war die Bereitschaft, auch Verantwortung in der Regierung zu übernehmen. Doch damit ist es nach bald 19 Jahren an der Regierung (von den vergangenen 23) auch nicht mehr weit her. Angesichts immer weiter schrumpfender Ergebnisse ist der Wille zum Regieren an der Seite oder genauer: unter der Union offensichtlich verbraucht. Doch eine andere Koalitionsperspektive ist bis heute nicht in Sicht. So sehr man auch eine Ampel oder gar Rot-Grün-Rot ins Spiel zu bringen versucht: Beides erscheint weder arithmetisch wahrscheinlich noch sonderlich attraktiv.

Und so wirkt am Ende auch die Wahlkampf-Rhetorik alles andere als überzeugend. Während Scholz unverdrossen „Ich spiele auf Sieg“ tönt, heißt es bei Mützenich schon: „Wir sind noch auf dem Platz.“ Lobenswerter Realismus liegt dort nahe beim Defätismus. Offenbar um sich selbst Mut zu machen, versucht es der Fraktionschef denn auch prompt mit dem Pfeifen im Walde: „Laschet hat Angst. Wir haben Olaf Scholz“, verbreitet er die Hoffnung, dass der blasse NRW-Chef einen schlagbaren Gegner abgeben könnte.

Allerdings könnten auch diese Blütenträume schon bald zerstieben, nämlich am 14. März. Dann dürfte die Vorentscheidung fallen – über die Unionskanzlerschaft, aber auch über die Chancen der SPD. Denn in Rheinland-Pfalz geht es nicht nur um die Titelverteidigung für Malu Dreyer, sondern auch um die einzige Siegchance der SPD vor der Bundestagswahl. Vernichtende Wahlausgänge in Baden-Württemberg (ebenfalls am 14. März) und in Sachsen-Anhalt (am 6. Juni) sind bereits fest eingeplant. Verliert Dreyer gegen den CDU-Kandidaten Christian Baldauf, wäre das der GAU für die SPD – und zugleich ein immens wichtiger Erfolg für den neuen CDU-Chef Laschet.

Gewinnt Dreyer allerdings gegen den blassen Baldauf, wofür momentan sehr vieles spricht, denn sieht es für Laschet verdammt düster aus. Denn zusammen mit der absehbar klaren Niederlage der CDU-Kandidatin Susanne Eisenmann gegen Winfried Kretschmann wäre das schon die zweite schwere Schlappe für den CDU-Chef – und eine Steilvorlage für Markus Söder. Sehr viel spräche dann für die Kanzlerkandidatur des Franken. Der aber ist nicht nur um einiges beliebter als Scholz, sondern auch weit attraktiver als Laschet – gerade auch im sozialdemokratischen Milieu. Am Ende vom Lied bleibt somit wieder nur der gleiche Refrain: Was auch immer die SPD in diesem Jahr versucht, es scheint alles vergebens.

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