Wunderbar together 2.0

Editorial des Verlegers

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Wunderbar together 2.0

Editorial des Verlegers

Liebe Leserinnen und Leser,

es wird der wohl letzte Besuch Angela Merkels als Bundeskanzlerin im Weißen Haus sein, aber die Bedeutung für die Zukunft Deutschlands, Europas und des demokratischen Westens dürfte über den Herbst dieses Jahres hinausgehen.

Sigmar Gabriel untersucht in einem fulminanten Beitrag für den Hauptstadtbrief am Samstag die geopolitische Dimension der Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA vis-á-vis China, Russland und anderen heiklen bis offen demokratiefeindlichen Kantonisten. Liest man die Analyse des ehemaligen Außenministers und heutigen Vorsitzenden der Atlantik-Brücke, der realpolitisch klug die Spielräume, Stärken und Schwächen der Position Deutschlands und der EU herausarbeitet, ist man beinahe geneigt zu fragen, ob die Kanzlerin nicht noch einen Platz in der Regierungsmaschine für einen im besten Sinne unabhängig denkenden und klar sprechenden außenpolitischen Berater frei hätte. Ihr – und dem Land und den transatlantischen Beziehungen wäre es zu wünschen.

Inge Kloepfer, regelmäßige Kolumnistin des Hauptstadtbriefs, meldet sich in dieser Woche mit einem überaus klug differenzierenden Essay über Macht und Bedeutung der politischen Sprache und die so notwendige wie lohnenswerte Arbeit am politischen Begriff. Ein Anlass ist das von David Ranan herausgegebene Buch „Sprachgewalt“, in dem eine Reihe erlesener Autorinnen und Autoren ebensolche umstrittenen oder angefochtenen Worte wie Populismus, Patriotismus, Antisemitismus, Rassismus, Kolonialismus oder auch Kosmopolitismus untersuchen. Ein noch wichtigerer Anlass ist aber Kloepfers Beobachtung, dass die Instrumentalisierung bis Arglosigkeit im politischen Betrieb, gerade in Wahlkampfzeiten, ein ungutes Ausmaß erreicht hat. Die beiden vermeintlichen Alternativen größtmöglicher Vereinfachung zu Wohlfühlzwecken hier und Anstachelung zu maximaler Empörung dort sind einer bürgerlichen Gesellschaft auf Dauer weder zuzumuten noch zielführend.

Lukas Haffert, einer der originellsten und zugleich fundiertesten deutschen Politologen, hat in einer großen Studie die handfesten politisch-parlamentarischen Auswirkungen des Stadt-Land-Konfliktes untersucht. Noch haben diese nicht das Stadium eines Kulturkampfes wie in den USA oder Frankreich erreicht, aber Hafferts konzise Zusammenfassung seiner Untersuchung für diesen Hauptstadtbrief zeigt, in welchem Ausmaß die Zusammensetzung des Deutschen Bundestages betroffen ist – und kann so auch die zunehmenden inhaltlichen lebensweltlichen Differenzen genauer beleuchten.

Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich – bis morgen

Ihr Detlef Prinz

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